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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Gon­deln pas­sie­ren. Die Röh­re glüht gelb­lich, als wä­re sie mit elek­tri­fi­zier­tem Gas ge­füllt. Die Gon­del be­schleu­nigt rasch. Ei­ni­ge über­ho­len zwar noch, aber Chibs Gon­del wird schließ­lich so schnell, daß kei­ne an­de­re mehr mit­hal­ten kann. Das Heck ei­ner Gon­del vor ihm ist wie ei­ne schim­mern­de Schei­be, die er erst dann ein­ho­len kann, wenn sie bremst und in ih­ren Ziel­bahn­hof ein­läuft. Es sind nicht vie­le Gon­deln in der Röh­re. Die Nord-Süd-Rou­te ist, un­ge­ach­tet der nach 100 Mil­lio­nen zäh­len­den Be­völ­ke­rung, nur we­nig be­fah­ren. Die meis­ten Be­woh­ner LAs blei­ben in den Wän­den ih­rer Woh­nun­gen. In den Ost-West-Röh­ren ist der Ver­kehr et­was dich­ter, da vie­le die öf­fent­li­chen Ba­de­strän­de am Meer den klei­nen Swim­ming-pools vor­zie­hen.
    Das Fahr­zeug schießt dröh­nend nach Sü­den. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten ver­läuft die Röh­re plötz­lich ab­wärts, in ei­nem Win­kel von fünf­und­vier­zig Grad zur Ho­ri­zon­ta­len ge­neigt. Ebe­ne um Ebe­ne bleibt zu­rück.
    Chib kann die Men­schen und die Ar­chi­tek­tur an­de­rer Städ­te durch die trans­pa­ren­ten Wän­de er­ken­nen. Ebe­ne 8, Long Be­ach, ist in­ter­essant. Die Häu­ser se­hen wie auf­ein­an­der­ge­schich­te­te Ku­chen­plat­ten aus Quarz aus, ei­ne auf der an­de­ren, of­fe­nes En­de auf of­fe­nem En­de, die Ein­heit ist auf ei­ner Säu­le mit ge­schnitz­ten Ge­stal­ten er­rich­tet, die Zu­fahrts­s­tra­ße ist ei­ne frei­schwe­ben­de Stre­be.
    Auf Ebe­ne 3 A ver­läuft die Röh­re wie­der eben. Nun rast die Gon­del an Be­sit­zun­gen vor­bei, an­ge­sichts de­ren An­blick Ma­ma die Au­gen schlie­ßen muß. Chib drückt die Hand sei­ner Mut­ter und denkt an den Halb­bru­der und die Vet­tern und Ku­si­nen, die sich hin­ter dem gelb­li­chen Kunst­stoff be­fin­den. In die­ser Ebe­ne sind fünf­zehn Pro­zent der Be­völ­ke­rung un­ter­ge­bracht, die Zu­rück­ge­blie­be­nen, die un­heil­bar Irr­sin­ni­gen, die zu Häß­li­chen, die Mons­tro­si­tä­ten, die Al­ters­schwa­chen und Se­ni­len. Dort drän­gen sie sich zu­sam­men, die lee­ren, aus­drucks­lo­sen oder ver­zerr­ten Ge­sich­ter ge­gen die Wan­dun­gen der Röh­ren ge­preßt, um die schö­nen Gon­deln vor­über schwe­ben zu se­hen.
     
    Ei­ne „hu­ma­ni­täre“ Me­di­zin hält al­le Ba­bys am Le­ben, die ei­gent­lich – nach dem Wil­len der Na­tur – ster­ben soll­ten. Seit dem zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert wer­den Men­schen mit de­fek­ten Ge­nen am Le­ben er­hal­ten. Da­her kön­nen die­se Ge­ne sich auch un­ge­hin­dert aus­brei­ten. Das Tra­gi­sche ist, daß die Wis­sen­schaft in­zwi­schen so­weit ist, daß de­fek­te Ge­ne in Ovum und Sper­ma kor­ri­giert wer­den kön­nen. Theo­re­tisch könn­ten al­le Men­schen mit völ­lig ge­sun­den Kör­pern und phy­sisch per­fek­ten Ge­hir­n­en ge­seg­net sein. Das Pro­blem ist je­doch, daß wir nicht ge­nü­gend Ärz­te ha­ben, um mit der Ge­bur­ten­ra­te fer­tig zu wer­den, ob­wohl die­se Ra­te stän­dig wei­ter sinkt.
    Die Me­di­zin hält die Men­schen auch so lan­ge am Le­ben, daß sie hoff­nungs­los se­nil wer­den. Dar­aus re­sul­tiert ei­ne im­mer grö­ßer wer­den­de An­zahl sab­bern­der, hirn­lo­ser Nar­ren. Gleich­zei­tig ei­ne stän­dig zu­neh­men­de Zahl von Geis­tes­krank­hei­ten. Es gä­be ge­nü­gend The­ra­pi­en und Dro­gen, um die meis­ten da­von wie­der zum „Nor­mal­zu­stand“ zu­rück­zu­brin­gen, aber bei wei­tem nicht ge­nug Ärz­te und Räum­lich­kei­ten. Ei­nes Ta­ges ist das viel­leicht an­ders.
    Was sol­len wir jetzt tun? Die al­ten Grie­chen setz­ten kran­ke Kin­der in den Fel­dern aus, da­mit sie star­ben. Die Es­ki­mos schick­ten ih­re Al­ten auf Eis­schol­len auf die Rei­se. Sol­len wir un­se­re ab­nor­men Kin­der und Al­ten ver­ga­sen? Manch­mal hal­te ich das für die gnä­digs­te Me­tho­de. Aber ich kann von nie­man­dem ver­lan­gen, daß er den Knopf drückt, den ich selbst nie­mals drücken wür­de.
    Ich wür­de den ers­ten er­schie­ßen, der da­nach greift.
    aus Groß­pa­pas Pri­va­ten Er­güs­sen
     
    Die Gon­del nä­hert sich ei­ner

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