Kopernikus 8
gegen den azurblauen Sand brandeten. Er dachte an die Gletscher von Waldemar, an sein dortiges Zuhause, seine Geliebten, seine Freunde, und das alles schien schrecklich lange her und mindestens eine Million Lichtjahre entfernt zu sein.
Timothy R. Sullivan
Zeke ZEKE
Entlang der Route 31, von der Grenze Georgias nach Key West, ist viel vom alten Florida erhalten. Hier kann man immer noch die Nacht in einem mit Küchenschaben verseuchten „Motorhof“ verbringen, einem Spiritisten am Straßenrand einen Besuch abstatten oder die lethargischen Bewohner einer Alligatorfarm bestaunen. Das ist das Florida von indianerkopfgroßen Kokosnüssen, geborstenen Swimmingpools und einbetonierten Quellen, von denen ihre Besitzer behaupten, es seien ganz genau jene, nach denen Ponce de Leon suchte.
Es war das dritte Mal gewesen, daß ich den alten Highway 31 befahren hatte, obwohl ich vorher noch nie allein gefahren war. Nachdem ich meine Kindheit in jämmerlicher Einsamkeit verbracht hatte, hatte ich während meiner Teenagerzeit entdeckt, daß ich mir meine Entstelltheit zunutze machen, sie sogar anwenden konnte, um an Mädchen ranzukommen. Auf dieser schwülen Straße fuhr ich in den rauchigen Tagen des Herbstes 1968 mit einem ganzen Bus voller ausgenippter Hippie-Freaks. Die „Familie“ war auf meiner zweiten Reise auf der Route 31,1974, viel kleiner; ein blauer Toyota trug mich und Joannie, ein Mädchen, das in mir all die verrückten und wunderbaren Dinge sah, die selbst zu tun ihm nie erlaubt gewesen waren. Die Resultate dieses romantischen Intermezzos waren Schwangerschaft, Heirat und ein Junge, den wir Danny nannten. Eine echte Familie.
Daher steuerte ich nun des Masochismus willen ein drittes Mal – ganz allein, als wäre ich wieder ein Junge – diese wenig befahrene Straße hinunter, bevor das Langstreckenfahren zu teuer wurde. Nebenbei bemerkt, verfügte ich über ein Spesenkonto; ich hatte einer Versammlung von Exporteuren in Atlanta beigewohnt und war einen Tag früher, an einem Donnerstagmorgen, losgefahren. Auf diese Weise konnte ich mir eine gemütliche, bittersüße Fahrt auf dem Pfad der Erinnerung leisten. Ich plante, nicht vor Montagmorgen zur Arbeit zu erscheinen, deshalb hatte ich angerufen, um das mit meinem Chef zu besprechen. Okay, hatte er gesagt, lassen Sie sich Zeit, George. Er war kein schlechter Mensch, der Mr. Noloff, aber fünfundzwanzig Jahre im Verkauf von schwerer Straßenausrüstung an Bananenrepubliken hatten ihm ein gewisses diktatorisches Fluidum auferlegt. Wenn er wieder einmal besonders gebieterisch gewesen war, träumte ich oft davon, ihm adieu zu sagen und eine Arbeit bei der Coastal Trading aufzunehmen, aber es blieben immer noch die Miete, die Abzahlung meines ein Jahr alten Plymouth Horizon, die Alimente und natürlich die Versorgung für das Kind zu bezahlen, und das zu einer Zeit, wo sich der Preis für einen Laib Brot einem Dollar näherte.
Durch den lockeren Lautsprecher vibrierte die quälende weiße Blues-Gitarre von Johnny Winter. Ich drehte trotzdem lauter, während ich durch die Hügel im Herzen Floridas kreuzte. Orangenplantagen glitten an jeder Seite der zweispurigen, von Schlaglöchern durchzogenen Fahrbahn vorbei. Ein gebogener, rosaroter Streifen späten Nachmittagssonnenlichtes schmolz in den Baumwipfeln, als ich an einem zerfetzten Schild vorüberfuhr, auf dem in Pastellfarben, die einmal leuchtend gewesen waren, zu lesen war: Monster, Bestien, Freaks der Natur, direkt geradeaus, SR 74.
„Das“, sagte ich über Johnnys melodisches Grölen hinweg, „muß der Welt
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