Kopf hoch, Freddie
seinem Wagen. Natürlich war sie zu Angela gefahren. Ungeachtet der späten Stunde meldete er ein Ferngespräch an und verschwendete nicht viele Begrüßungsworte, als Stephens verschlafene Stimme sich meldete. Er berichtete kurz von dem Unfall und sagte, daß Freddie sich sicher auf dem Weg zu ihnen befinde. Ob Stephen ihn sofort anrufen könne, wenn sie bei ihnen angekommen sei?
Stephen sagte nur wenig dazu und ging bekümmert wieder zu Bett, dankbar, daß Angela friedlich schlief und von dem Anruf nichts gemerkt hatte. Es genügte, wenn sie die Neuigkeit morgen erfuhr.
Jonathan dachte noch nicht ans Schlafen. Er ging erst ins Krankenhaus und sah nach Maurice. Als er nach Hause zurückgekehrt war und endlich in seinem Bett lag, war er noch lange wach. Er machte sich Vorwürfe, daß er Freddie nach dem Unfall nur flüchtig angesehen hatte, war aber sicher, daß sie nicht verletzt war, und bezweifelte sogar, daß sie auch nur eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen hatte. Der Schock natürlich...
Zeitig am Morgen rief Stephen an, und Jonathan atmete beim Klang seiner Stimme erleichtert auf. »Du hast also Nachricht von ihr?«
»Nein. Nichts. Ich mußte es Angela natürlich sagen, und sie macht sich schreckliche Sorgen.«
»Das soll sie nicht. Ich werde Freddie finden und euch heute abend anrufen. Sag Angela, sie soll alles ruhig mir überlassen.«
Mrs. James hatte inzwischen den Morgentee für Jonathan fertig und servierte ihn. Er trank ihn dankbar und gab ihr dabei kurze Anweisungen. Er müsse fort, werde aber in spätestens achtundvierzig Stunden zurück sein. Dr. Thompson müsse heute die Sprechstunde halten. Er habe eine lange Fahrt vor sich und trinke gern noch eine Tasse Tee, könne aber nicht auf das Frühstück warten. Er wolle unterwegs etwas essen. Dann rief er seinen Partner an und war nach zehn Minuten bereits unterwegs.
Freddie lag inzwischen in dem alten Haus in ihrem Bett und starrte vor sich hin. Der Morgen war gekommen, und der Raum war von Sonnenschein erfüllt. Als die Wirkung von Schock und Alkohol schwand, wurde Freddie allmählich und mit Schrecken klar, was geschehen war. Mit hoher, unnatürlicher Stimme schrie sie auf: »Maurice, Maurice! Ich wollte es nicht. Ich wollte dich nicht töten!«
Verzweiflung senkte sich wie eine Wolke auf ihr Gemüt. Maurice getötet zu haben war schrecklich, aber sie hatte es doch nicht gewollt. Davonzulaufen war noch viel ärger. Es war das Verhalten eines Feiglings. Was sollte sie jetzt tun?
Ihr Leben war ruiniert, sagte sie sich. Sie besaß keine Gesetzeskenntnis, wußte kaum, was Totschlag war, doch fielen ihr Zeitungsüberschriften ein wie »Drei Jahre für Totschlag«. Drei Jahre! Und nachher? Ihr blieb kein Ausweg. Maurice war tot. Jonathan hatte ihr einen kurzen Blick gewidmet und hatte sich dann umgedreht. Angela würde ihr zwar immer Liebe entgegenbringen, doch wollte Freddie das Leben ihrer Schwester nicht mit ihrer eigenen Tragödie zerstören.
Verzweifelt fragte sie sich: »Warum bin ich nur weggelaufen? Ich wollte es nicht. Ich wollte zur Polizei und bin doch nur in die Wohnung zurück, weil ich mich anständig zurechtmachen wollte. Warum bin ich dann nicht zur Polizei gegangen?«
Dann fiel ihr der Whisky ein und erfüllte sie mit bitterer Scham. Sie hatte so viel getrunken, daß sie den Verstand verloren hatte, in Angst geraten war und hierher kam. Sie, die sich immer gebrüstet hatte, sie würde nie einen Tropfen Alkohol anrühren, sie, die Maurice Moralpredigten gehalten hatte... Sie schloß die Augen und lag regungslos da. Das Schlimmste war, daß Maurice tot war. Das war die eine, unwiderrufliche Tragödie. Welche Rolle spielte es dagegen, daß sie sich wie ein Feigling benommen und für immer ihre Selbstachtung verloren hatte? Nur Maurice zählte wirklich.
Und was konnte sie jetzt tun? Sie wollte nicht länger hier liegen und sich vor den Folgen ihrer Handlungsweise drücken. Sie mußte zurück, zur Polizei, die ganze Geschichte erzählen und ihre Strafe hinnehmen. Diese Wiedergutmachung war sie Maurice schuldig.
Und danach? Man würde sie ins Gefängnis schicken, das wußte sie. Sie würde Schande über Angela bringen, über Bill und Shelagh. Sie sah sich für ewige Zeiten als Ausgestoßene.
Und dann kam ihr die Erinnerung an die Worte ihrer Mutter: »Wenn in deinem Leben etwas schief gehen sollte, dann schick mir ein Telegramm.« Sie stand auf und zog sich langsam an. Dabei kam sie zu einem Entschluß. Heute hatte sie
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