Kopf Unter Wasser
blieben mindestens zwei Stunden. Die Küche war mit dem Abwasch beschäftigt. Er würde einfach ins Gebäude reinmarschieren, die Treppe zur ersten Etage nehmen und zum Raum von Johannas Gruppe laufen. In die Tür war ein kleines rundes Fenster eingelassen, einem Bullauge ähnlich, durch das man hineingucken konnte. Er würde von auÃen feststellen können, ob Johanna da war, ohne selbst bemerkt zu werden. War sie nicht da, ginge er einfach wieder weg.
Was er im anderen Fall tun würde, wusste er noch nicht.
Johanna hatte das Betttuch bis zum Kinn hochgezogen und schlief. Sie war gewachsen, ihr Gesicht wirkte schmaler, hatte das Babyhafte verloren, und auch ihre Haare, die wie dunkles Wasser über das Kissen flossen, waren länger geworden.
Die Erzieherin saà auf einem Stuhl in der Ecke und las eine Zeitschrift. Die Vorhänge waren zugezogen, das Licht im Raum war orangefarben. Vor jeder Matratze lag ein Häufchen zusammengelegte Sachen, neben dem wiederum jeweils ein Hausschuhpaar stand.
Henry drückte langsam die Klinke herunter, er wusste noch immer nicht, was er tun sollte. Er schob sachte die Tür nach innen, millimeterweise, während er durch das Bullauge die Erzieherin im Auge behielt. Er wartete darauf, dass die Tür ein Geräusch machte, dass die Angeln quietschten und die Erzieherin endlich hochsähe und ihn entdeckte. Er war sich sicher, dass ihm dann das Richtige einfallen würde.
Doch die Erzieherin entdeckte ihn erst, als die Tür sperrangelweit offen stand und Henry einen Schritt nach vorn trat. Sie legte die Zeitschrift beiseite und kam ihm mit ausholenden, aber vorsichtigen Schritten entgegen. Sie sah ihm währenddessen in die Augen und legte den Zeigefinger ihrer rechten Hand an die Lippen. Henry hielt der Erzieherin den Plüschelefanten entgegen, er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Dass er sofort gehen solle, zischte sie. Er habe Hausverbot, falls ihm das nicht klar sei.
Henry hielt weiterhin den Elefanten in die Höhe und sagte, dass er lediglich ein Geschenk abgeben wolle.
Auf gar keinen Fall, sagte die Erzieherin, das komme nicht infrage. Sie packte seine Hand mit dem Kuscheltier, zog sie herunter und versuchte, ihn zur Tür hinauszudrängen. Henry stemmte sich gegen ihren Körper, schob sie langsam in den Raum zurück, dann standen sie für einen Moment auf der Stelle, die Kräfte ausbalanciert.
Er wolle Johanna überhaupt nicht aufwecken, nur das Geschenk dalassen.
Nein, sagte die Erzieherin. Sie begann zu keuchen. Henry sah kleine SchweiÃperlen auf ihrer Stirn, direkt unter ihrem blonden Haaransatz. Er knickte kurz in den Armen ein, dann gab er ihr einen StoÃ. Sie stolperte nach hinten und fiel mit dem Rücken auf einen kniehohen Tisch mit Buntstiften und Zeichenpapier. Es schepperte. Aus den Augenwinkeln sah Henry, dass sich einige der schlafenden Kinder zu regen begannen.
Von der Tür her hörte er eine weibliche Stimme: Was hier los sei. Er hörte Schritte auf dem Flur.
Die Polizei, schnell, sie solle die Polizei holen, rief die Erzieherin zur Tür. Sie rappelte sich auf, kroch auf allen Vieren zu den Kindern und baute sich schützend vor ihnen auf.
Henry trat einen Schritt zurück.
Alle Kinder waren jetzt wach, ungefähr die Hälfte, darunter Johanna, saà aufrecht in ihren Betten, die anderen versteckten sich unter den Decken, eines heulte.
»Erkennst du mich? â Johanna, erkennst du mich?«
»Ja«, sagte Johanna.
»Wer bin ich?«
»Ich weià nicht.«
»Ich bin dein Papa.«
»Ja.«
»WeiÃt du noch: unsere Windmühle?«
»Ja.«
»Lassen Sie das Kind in Ruhe«, schrie die Erzieherin.
»Ich tu dir nichts, ich wollte dir nur das hier geben.«
»Er ist betrunken«, schrie die Erzieherin zur Tür. Henry drehte sich um. Er sah zwei Männer hereinkommen, der eine trug einen weiÃen Kittel und eine Kochhose, der andere einen Blaumann.
»Bist du wirklich betrunken, Papa?«
»Nein. Ich hab dir nur was mitgebracht.«
Henry wollte den Elefanten hochhalten, aber der Koch packte sein Handgelenk und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Der Elefant fiel zu Boden. Der Blaumann umklammerte mit seiner Pranke Henrys Genick und drückte ihm gleichzeitig den Kopf auf die Brust.
So führten sie ihn in den Heizungskeller, aus dem ihn eine halbe Stunde später die Polizei befreite.
Dass er mit einer Anzeige
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