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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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eine weise Entscheidung getroffen. Susan hatte ein heiteres Gemüt; sie fühlte sich wohl in ihrer Haut – bien dans sa peau – wie man auf Französisch sagt. Sie konnte über sich selber lachen und mich noch besser aufziehen. Die Götter meinten es gut mit mir. Ich war beinahe glücklich.
    Außerdem alterte Susan auf unglaublich gute Art und sah leicht zehn Jahre jünger aus, als sie tatsächlich war. »Die Fähigkeit, gut zu altern« hatte ich nie als maßgebliche Variabel in meiner Matrixanalyse berücksichtigt – ich hatte nur den absoluten Altersparameter verwendet. Ich hätte mich selber in den Hintern treten können. Analyse ist ein mühseliges Geschäft und die Ergebnisse lassen sich immer verbessern. Es ist leicht, Fehler zu machen, und man lernt nie aus.
    *
    Insgesamt war Fidelity eine bereichernde Erfahrung. Mein Broadcast and ­Media-Fund wurde 1988 von Lipper, dem weltweit führenden Informations- und Bewertungsdienst über Investmentfonds, als bevorzugter Investmentfonds bewertet und erzielte unter meinem Management weitaus höhere Renditen als seine Vergleichsfonds.
    Gewöhnlich war Peter Lynch samstags im Büro. Seine Theorie lautete, jedes Mal, wenn er am Wochenende im Büro sei, würde er einen kleinen Vorsprung vor anderen gewinnen, die zu Hause blieben, und wenn man das mit 25 oder 30 Jahren multipliziere, ergebe das einen ernsthaften Wettbewerbsvorteil. Ich erinnere mich an einen Samstag, an dem ich mit ihm und einem anderen berühmten Manager, Jeff Vinik, der als Lynchs Assistent arbeitete, im Aufzug fuhr. Jeff schleppte Unmengen von Geschenken und Lynch sagte in seiner merkwürdigen, stockenden Art zu ihm: »Uh, Jeff, sind das all diese, uh, Weihnachtsgeschenke, die du, ehem, noch nicht mit nach Hause genommen hast?«
    »Nein, das sind die Hochzeitsgeschenke von meinen Kollegen«, antwortete Jeff.
    »Oh, uh, ich wusste nicht, dass du geheiratet hast«, erwiderte Lynch. Die beiden hatten jahrelang jeden Tag 14 Stunden nebeneinandergesessen.
    »Peter, du warst eingeladen.«
    Fidelity Boston bot eine steile Lernkurve. 20 Prozent der Manager waren nicht nur hochintelligent, sondern arbeiteten sehr hart. Und die brillantesten Leute schienen alle auffällig merkwürdig zu sein. Ein extrem introvertierter Manager war Schachmeister eines per Post ausgetragenen Schachturniers. Ein anderer war ein extrem massiger Amateurgewichtheber. Das Hauptziel eines anderen Managers bestand darin, eine rabbinische Schule zu besuchen. Der Spinnerfaktor war sehr hoch, wobei ich als europäischer Frauenheld genauso merkwürdig und verrückt wie alle anderen war. Aber wenn man mit all den Merkwürdigkeiten umgehen konnte und Augen und Ohren offen hielt, konnte man sehr viel lernen. Damals existierte in Europa oder Asien nichts, das sich auch nur im Entferntesten mit Fidelity vergleichen ließ.
    Nach zwei Jahren in Boston verbrachte ich 1989/90 in der Londoner Niederlassung. London hatte sich zum unangefochtenen Mittelpunkt der europäischen Finanzmacht und -kreativität entwickelt, wenngleich es auf globaler Ebene immer noch New Yorks kleine Schwester war. In der Londoner Niederlassung arbeitete ein brillanter Fondsmanager, Anthony Bolton, der Fidelitys Special Situation Fund von 1979 an für fast 30 Jahre derart erfolgreich managte, dass er am Ende geteilt werden musste, weil er so groß geworden war – möglicherweise zu groß, um weiterhin erfolgreich zu sein. Bolton gilt allgemein als der begabteste britische Investor seiner Generation. Was ich mir von Bolton abschaute, waren seine analytischen Erkenntnisse darüber, wie man europäische Buchführung seziert.
    Das Problem mit der Londoner Niederlassung war jedoch, dass es höllisch schwierig war, einen wirklich brillanten Kollegen zu finden, wenn man von Bolton absah. Es herrschte viel zu viel Anschein und Konformismus, als dass Weltklasse-Investmentfähigkeiten kultiviert worden wären. Die Leute von Fidelity London waren sehr gut, was die Form anging, aber sehr schwach, was den Inhalt betraf – das genaue Gegenteil der komischen ­Käuze in Boston.
    Nichtsdestotrotz befand ich mich im Lichtkegel der cleversten und umstrittensten Manager, und ich genoss London sehr, weil die Unternehmerszene und die Mitspieler nicht mehr so blaublütig waren. Die Tage, in denen die Büros der Partner bei Cazenoves und Barings sagenumwobene, ferne Orte waren, waren vorbei. Man konnte den Staub darin riechen. Gott sei Dank bevölkerten inzwischen mehr Cockneys, Juden und

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