Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
Dreifachmordes gerufen worden war.
Die Waffensammlung, die auf dem Esszimmertisch ausgebreitet lag, war beeindruckend. Schrotflinten, ein Jagdgewehr, verschiedene Pistolen, von denen ein paar noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammen mussten. Messer in allen Größen mit ganz unterschiedlichen Klingen. Ein alter Totschläger aus Leder, gefüllt mit Sand oder Schrotkugeln. Wie sie die Polizisten früher getragen hatten, bevor sie verboten wurden. Ein gezielter Schlag damit konnte selbst den stärksten Mann zu Fall bringen. Niemand lief mehr mit so etwas herum. Zumindest nicht mehr offen.
Und oberhalb der Waffen lagen ordentlich aufgereiht Medaillen, eine neben der anderen. Ein Purple Heart. Ein Bronze Star. Einige Verdienstmedaillen von der Polizei. Stan Dempsey musste damit gerechnet haben, dass jemand in sein Haus kam. Das war es, was er zeigen wollte, die Auszeichnungen, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hatte – bei der Armee, im Krieg, bei der Polizei.
Auf der Kommode hinter dem Tisch standen mehrere Fotos. Stan in einem schlecht sitzenden Anzug nach der Mode der Siebziger mit einer schief geknoteten Krawatte. Neben ihm eine verdruckst aussehende Frau mit wasserstoffblondem Haar, das wie ein glänzender Helm auf ihrem Kopf saß. Vor ihnen ein fünf- oder sechsjähriges Mädchen, das als Einzige lächelte, eine schwarze Lücke vorne im Mund, wo einer der Milchzähne gewesen war.
Die Familie. Kovac hatte nicht gewusst, dass Dempsey verheiratet war. Es war schwer vorstellbar. Nichts in dem Haus deutete darauf hin, dass eine Frau darin lebte. Keine Kleider im Schrank, keine Kosmetika auf der Schlafzimmerkommode oder im Bad. Die Frau war fort, entweder war sie gestorben, oder sie hatten sich scheiden lassen. Das kleine Mädchen musste mittlerweile erwachsen und schon längst ausgezogen sein.
Schließlich wandte sich Kovac der Videokamera auf dem Stativ zu, die auf den einsamen, unter dem Tisch hervorgezogenen Stuhl gerichtet war. Er trat dahinter und suchte nach dem Wiedergabeknopf. Dumpfe Angst kroch in ihm hoch.
Stan Dempsey erschien auf dem kleinen Monitor. Er ging vor der Kamera zum Stuhl und setzte sich. Dann begann er zu sprechen, völlig ausdruckslos. Sachlich und nüchtern. Er erzählte von seinem Leben, davon, dass es seit jeher sein Traum gewesen war, Polizist, Detective zu werden. Er erzählte, wie sehr er seine Arbeit gemocht hatte. Er erzählte von ein paar seiner Fälle, auf die er besonders stolz war.
Im Hintergrund der Aufnahme konnte Kovac durch die Tür in die Küche sehen, wo auf dem Küchenschrank eine Keksdose in Form eines sitzenden Schweins stand. Er blickte vom Bildschirm auf und durch die Tür in die Küche. Da stand die Keksdose, ein albernes Ding, das überhaupt nicht zu seinem Besitzer passte. Etwas, das sich in jedem normalen Haushalt befinden konnte und das in krassem Gegensatz zu dem unheimlichen, finsteren Ton des Videobandes stand.
Das Ganze hatte etwas Surreales. Dempsey wirkte viel zu ruhig. Die Art von Ruhe, die Leute überkam, wenn sie eine schwere Entscheidung getroffen hatten und jetzt einen gewissen Frieden empfanden. Er nahm eines der Messer und strich zärtlich über die Klinge, während er erläuterte, welche Art Messer es war und welchem Zweck es diente.
Er legte das erste Messer wieder hin und nahm ein breites, schimmerndes Jagdmesser mit einer gefährlich aussehenden geriffelten Klinge auf. Er erklärte, wie man es benutzte, um einem Tier die Kehle durchzuschneiden, es auszunehmen und zu häuten.
Anschließend nahm er ein Ausbeinmesser und erklärte, wie man damit Knochen entfernte und das Fleisch von ihnen ablöste. Diese Aufgabe verlange ein sehr scharfes Messer, sagte er. Stan sprach davon, dass er seine Messer selbst ölte und schliff, und man hörte den Stolz in seiner Stimme.
Sowohl das Jagdmesser als auch das Ausbeinmesser fehlten jetzt auf dem Tisch.
Dempsey nahm eine lange Gabel mit zwei Zinken, wie man sie zum Grillen verwendet.
»Wenn jemand eine solche Gabel richtig zu gebrauchen versteht«, erklärte Dempsey mit seiner ausdruckslosen, monotonen Stimme, »kann sie ein sehr wirkungsvolles Instrument sein.«
O Scheiße.
Er sprach über seine Schusswaffen, dass die ersten beiden in seiner Sammlung von seinem Vater stammten, eine hatte dieser selbst im Zweiten Weltkrieg getragen, die andere hatte er einem toten Deutschen abgenommen.
Er sprach über die Haas-Morde, wie intensiv er an dem Fall gearbeitet hatte, die Wut, die er während des
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