Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
Vorwort
Crowdfunding ist mehr als nur ein kurzfristiger Trend. Schon in den Nuller Jahren tauchten auf vielen Webseiten die Spenden-Buttons von PayPal auf. Dann kam Flattr. Inzwischen sind in der deutschen Blogosphäre die bunten Klick-Zähler des schwedischen Crowdfunding-Netzwerks längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Spätestens seit 2010 ist in Deutschland eine wahre Crowdfunding-Gründerzeit ausgebrochen. Ob Startnext, visonbakery oder inkubato: Auf mehr als einem halben Dutzend Crowdfunding-Plattformen werden Spenden gesammelt, um kreative Vorhaben aller Art zu verwirklichen. Egal ob es um Theaterfestivals, Independent-Filme oder Buchpublikationen geht, in wenigen Wochen ermöglicht die Kombination von Micropayment und Web 2.0 oft schier unglaubliches. Im Jahr 2012 kamen auf diese Weise schon mehr als 2 Millionen Euro zusammen.
Zugleich beginnt sich der Crowdfunding-Sektor bereits auszudifferenzieren: Mit Seedmatch, Innovestment & Co. hat auch das Mikro-Investment Einzug in das deutsche Web gehalten. Lag dieser Sektor 2011 noch deutlich hinter dem spendenorientierten Crowdfunding zurück, wurde 2012 mehr als nur aufgeholt: netzaffine Kleinanleger steckten satte 4 Millionen Euro in die Projekte von erfolgversprechenden Startups, zehn mal soviel wie im Jahr zuvor. Doch nicht nur das Business boomt: Wie man an Plattformen wie betterplace.org sehen kann, ist klassisches Fundraising ist ebenfalls im Crowdfunding-Zeitalter angekommen. Einige prominente Crowdfunding-Beispiele sind in diesem E-Book versammelt. Neben dem Einsatz von „Massenspenden“ im Online-Journalismus geht es vor allem um Kultursponsoring, Pre-Order-Modelle im Musik-Business und in der Buch-Branche sowie um die Bedeutung von Crowdfunding für Startups. Ein Thema, das immer wieder auftaucht, ist die Kulturflatrate. Wenn sich Crowdfunding durchsetzt, könnten bisherige Verteilungskämpfe im Kulturbetrieb der Vergangenheit angehören.
Ohne die Crowd geht dabei natürlich gar nichts. Um in der Dankeschön-Ökonomie zu bestehen, muss man die Menschen für eine Sache begeistern. Und ihnen zugleich das Gefühl vermitteln, Teil einer Community zu sein. Es geht nicht um „Drei, zwei, eins – meins“, sondern um Dinge, die einen Nutzen für die Allgemeinheit haben. Das gilt übrigens nicht nur für waschechte Spendenkampagnen: auch beim Kraut-Investment steht am Anfang eine Idee, die Sinn macht. Insofern richtet sich dieses Buch auch an alle, die im Internet unterwegs sind. Denn die Crowd – das sind wir alle. Je stärker wir uns als Teil der Crowd (oder vieler Crowds) begreifen, desto besser wird Crowdfunding funktionieren. Ohnehin erlebt die Solidargemeinschaft im Moment eine Renaissance, wie etwa die „Occupy“-Bewegungen oder die Diskussion um virtuelle wie auch reale Gemeingüter zeigt, die 2012 – im „Jahr der Genossenschaften“ – noch einmal kräftig an Fahrt aufgenommen hat.
Welchen Stellenwert das Crowdfunding dabei erlangt, dürfte auch davon abhängen, unter welchem Label die „Thank-You-Economy“ verkauft wird. Manche meinen, man müsse das uns nicht ganz so leicht von der Zunge gehende Wort Crowdfunding komplett eindeutschen. Die Varianten reichen von „Massenspenden“ über „Krautkredit“ und „Huldigungsgulden“ bis zum „Polyschnorren“. Mein Vorschlag lautet dagegen: Krautfunding. Denn Krautfunding ist sprachlich ganz nah dran am Original, zugleich verstehen aber nicht nur die „Krauts“, was gemeint ist. Man kann es also hervorragend nutzen, wenn man international im Web oder anderswo unterwegs ist. Wie produktiv dieses Wortspiel ist, zeigen die Namen von neuen deutschen Crowdfunding-Projekten wie „krautreporter“ oder „krautpublishers“. Vor allem ist es aber ein schönes Wortspiel. Damit Kraut-/Crowdfunding funktioniert, muss es nämlich auch Spaß machen. In diesem Sinne: viel Spaß bei der Lektüre von „Krautfunding – Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie“.
Berlin, im März 2013
Ansgar Warner
Crowdfunding in Deutschland: Fünf Thesen
1. Crowdfunding ändert die Spielregeln der digitalen Ökonomie radikal. Das Fundraising-Prinzip als neues Paradigma revolutioniert Motivationen und Verhaltensweisen der Marktteilnehmer. Der Anbieter wirbt nicht mehr für den Kauf eines Produktes, sondern für die freiwillige Unterstützung bei der Realisierung (Pre-Order-Modell) bzw. bei der Aufrechterhaltung des Angebots. Für den Kunden ist vor allem der Nutzen entscheidend, während der
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