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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiber
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vorlas.
    »Verdammt, ich habe es geahnt«, rief Baumann, als der vorletzte Name fiel.
    »In den Dom, alles evakuieren!«, brüllte er, so laut er konnte, riss seinem Kollegen das Funkgerät aus der Hand und gab hektisch Anweisungen, wie der Dom zu evakuieren sei.
    »Sie müssen jetzt mitkommen«, fuhr er Weidinger an und rannte zum Hauptportal. Die Kronberg wollte ihm direkt folgen, lief aber rasch noch zu Henno und Katy, die langsam auf sie zukamen, und berichtete hastig von Baumanns Verdacht.
    Die Christmette ging dem Ende entgegen. Der Kardinal hob die Hände, spendete den weihnachtlichen Segen und dankte Gott, dass er die Messe in einem heilen Dom zu Ende führen durfte. Zur Freude aller und damit ganz Köln die Kunde vom Weiterbestehen der Domtürme erhalte, würde mit dem Ausklang der Messe der Dicke Pitter geläutet werden. Auf seine Worte hin betätigte der Küster einen Schalter und setzte die größte freischwingende Glocke der Welt in Bewegung.
    Henno Allenstein stand mit seiner Tochter ratlos auf der Domplatte. Gerade, als alle in Richtung Dom stürzten, erklang ein zarter Glockenton aus dem Südturm. Irritiert wandte Henno sein rechtes Ohr dieser Richtung zu. Mit dem nächsten Glockenschlag drang der erste volle Ton über den Platz. Es war eine Terz, bestehend aus einem »C« und einem »Es«.  
    Die Suchmannschaft hatte keine Chance, die dünne Sprengschnur zu finden. Einzig die Schäferhunde hätten sie entdeckt, an der Vierung, der Kreuzung des Langhauses mit dem Querhaus. Die Vierung bildet einen kleinen Turm aus einem mächtigen Steinring, einem Metallreifen und einer Abdeckplatte aus Stahl. An der Basis des kleinen Turmes war die Schnur in die Rille vor den Buckeln des Vierergewölbes gedrückt, überdeckt mit dem Staub der Jahrhunderte. Ebenso wie der dünne Draht, der zu einem kleinen Kasten unter einem Holzbrett führte. Ein elektronisches Wunderwerk, das einen Zündvorgang auslösen konnte, wenn eine bestimmte Frequenz ertönte, geeicht auf eine kleine Terz aus »C« und »Es«.  
    Als Baumann durch das Hauptportal in den Dom stürmte, sah er in der Weite des Langhauses den Kardinal, die Arme erhoben zum Gewölbehöchsten schauend, während der Dicke Pitter die ersten lauten Glockentöne erschallen ließ. Die kleine Explosion hatte kaum einen Widerhall in dem gewaltigen Bauwerk. Der Druckaufbau fand über den Kuppeln statt und rüttelte nur ein wenig an den winderprobten Dachschindeln aus Blei. Einzig aus dem Schlussring des Vierungsgewölbes brach ein großes Stück Trachyt vom Drachenfels aus seiner Halterung und folgte der Schwerkraft in die Arme des Kardinals.

| 25 |
    »Herr Hauser, bei den Nachbarn wurde gestern ein Paket für Sie abgegeben. Es steht PERSÖNLICH darauf«, rief die Haushälterin vor der Tür zum Badezimmer. »Ich bin jetzt weg. Frohe Weihnachten.«
    »Legen Sie es ins Arbeitszimmer. Auch Ihnen ein gesegnetes Fest!«

Fiktion und Realität
    Ein Roman ist immer die Beschreibung einer fiktiven Welt, entrückt von der Realität, manchmal von Zeit und Raum, manchmal von vertrauten menschlichen Verhaltensweisen. Bei der textlichen Gestaltung einer solchen Welt werden fiktive Einzelhandlungen, Personen und Zustände zu einem irgendwie möglichen, in sich stimmigen Ganzen vereint.
    Bereits zu Beginn 2009 stand das Gerüst für Kreuzstein in groben Zügen fest. Die Recherchen und Ausarbeitungen in den folgenden Monaten entwickelten sich zu gedanklichen Vorläufern einer Welt, die erstaunlich viel Nähe zu nachfolgenden Ereignissen bereithielt. Der Einsturz des Stadtarchivs in Köln deutete eine erste, noch etwas distanzierte Variante im Spiel der fiktiven Möglichkeiten an. Das Unglück von Nachterstedt am 18. Juli 2009 rückte bereits erschreckend nahe an einen Vorfall heran, der im Roman eine Schlüsselszene bildet. Mitte Februar 2010 gab es die Nachricht, dass in Apolda mehrere Häuser in der Innenstadt durch Brand zerstört worden waren, im April verlor ein ICE auf der Strecke Frankfurt-Köln in einem Tunnel eine Tür und musste notbremsen. Neben weiteren, kleineren Parallelen alles Ereignisse, die, wären sie vorher passiert, Anregungen für einen Roman hätten geben können. Jetzt passierten sie im Nachhinein.
    Es mögen Kleinigkeiten sein, überinterpretiert aus der Sicht desjenigen, der, geprägt von seinem Romaninhalt, übersensibel das Tagesgeschehen verfolgt. Aber da ist noch etwas. Etwas viel Schwerwiegenderes, die eigentliche Kernaussage dieses Romans. Seit Anfang

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