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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiber
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rettende Stund« dachte sie: Wie passend. Dann trat sie entschlossen an den Altar, gab dem Kardinal ein Zeichen und versuchte, über das Mikrofon zu sprechen. Plötzlich jedoch wurde es so laut in der Menschenmenge, dass sie fürchtete, nicht durchzukommen. Kurzerhand schaltete sie das Megafon ein, um sich Gehör zu verschaffen, und wiederholte ihre Begrüßung.
    »Guten Abend«, sagte sie. »Es tut mir leid, Ihre Weihnachtsmesse unterbrechen zu müssen, aber das ist ein Einsatz der Polizei. Es besteht keine Gefahr, aber folgen Sie bitte unmittelbar meinen Anweisungen. Ich muss Sie bitten, sich ruhig und diszipliniert vor zum Hochaltar in den Chorraum zu begeben. Meine Kollegen werden Ihnen den Weg weisen. Bitte verlassen Sie den Dom in der nächsten halben Stunde nicht und verhalten Sie sich ruhig. Ich wiederhole: Wenn Sie meinen Anweisungen Folge leisten, besteht keine Gefahr.«
    Hilfesuchend blickte sie zum Kardinal, der blass geworden war, ihren Appell aber geistesgegenwärtig unterstützte. Es mochte an seiner Autorität oder aber am Wunder der Weihnacht liegen, auf jeden Fall machte sich lediglich gedämpftes Raunen breit, und die Menge ließ sich bereitwillig in den Chorraum führen. Die Polizisten wurden mit Fragen bestürmt, aber Kronberg hatte dies bereits einkalkuliert und sie angewiesen, sich möglichst vage auszudrücken. Als alle im Chorraum untergebracht waren, waren noch genau zwei Minuten Zeit.
    Während die Kommissarin drinnen die Menschen beruhigte, stand Allenstein am Absperrgürtel in Höhe des Andreasklosters mit direktem Blick auf die beiden Türme. So elend, wie er sich jetzt fühlte, hatte er sich nur bei Helgas Tod gefühlt. Warum hatte er Katy nicht zurückgehalten?
    Katy hatte die letzten Stufen zum dritten Geschoss des Nordturmes erreicht. Es lag der Glockenstube des Südturms genau gegenüber. Irgendwo auf dieser Höhe vermutete sie Malte. Vorsichtig näherte sie sich der schweren Eichenholztür, die nach draußen auf die Galerie über dem Hauptportal führte. Der Lichtkegel der Taschenlampe, die ihr einer der Polizisten geliehen hatte, fiel auf Schneereste am Boden, die Malte wohl unter den Schuhen gehabt haben musste. Also war er hier entlanggegangen. Vorsichtig öffnete sie die Tür.
    »Malte? Malte, bist du da?«
    Sie hatte richtig vermutet. Er hatte die Stelle über dem Hauptportal gewählt, weil er von hier den besten Überblick über das Geschehen vor dem Eingang hatte. Langsam löste sich eine Gestalt aus dem Schatten des Türstocks vom Südturm gegenüber. Es war Malte. Auf Haaren und Schultern lagen Schneeflocken.
    »Malte, ich bin es, Katy.«
    Ihr Erscheinen brachte ihn sichtlich aus der Fassung. »Wie kommst du denn hierher?«, brüllte er sie an. »Verschwinde, aber sofort. Es wird gleich ungemütlich.«
    Der letzte der Galeriebögen, der unmittelbar an den Südturm angrenzte, war im oberen Bereich von der durchsichtigen Trennwand befreit. Malte kletterte über die Brüstung und balancierte auf dem verschneiten Vorsprung um die Ecke des Turmes auf das Ende der mächtigen Turmsäule, die im Erdgeschoss das Hauptportal des Doms auf der rechten Seite begrenzt. Er stand jetzt auf der Obergrenze des mittelalterlichen Baus, an dem erst ab 1842 weitergebaut worden war.
    Katy war, während Malte auf dem Vorsprung entlangkletterte, bis an den letzten Galeriebogen herangekommen und stand nur noch drei Schritte von ihm entfernt, getrennt durch die Brüstung, in die die Säulen der Bögen mündeten. Ihr wurde fast schwindelig, als sie seinen Balanceakt im dichten Schneetreiben beobachtete. Auf der Abdeckplatte der Säule, die genug Platz für einen sicheren Stand zu bieten schien, blieb er stehen. Mit Entsetzen sah sie, wie er ein Handy aus der Jacke hervorholte, das mit einer Schnur um seinen Hals hing, und nervös mit dem Daumen auf der Tastatur hin und her fuhr.
    »Malte«, sagte sie flehend. Sie war völlig außer Atem und musste tief Luft holen, um das Zittern in ihrer Stimme in den Griff zu bekommen. »Wenn du den Dom jetzt sprengst, dann tötest du noch mehr unschuldige Menschen, Frauen und Kinder. Sie sind doch alle dort unten, in der Messe.«
    »Ich habe keine unschuldigen Menschen getötet!«, schrie er sie an.
    »Und das Mädchen? Mein Vater hat mir davon erzählt. Sie war erst siebzehn, und sie hatte doch gar keine Schuld an deinem Schicksal.«
    »Das war ein Unfall. Ich habe sie nicht getötet. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, als ich merkte, dass mich jemand

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