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Krieg um den Mond (German Edition)

Krieg um den Mond (German Edition)

Titel: Krieg um den Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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nicht.“
    Anne schwieg, bis Olaf es nicht mehr aushielt. Die Verspiegelung der Visiere war zwar zum Schutz vor dem gleißenden Sonnenlicht nötig, aber man konnte von außen das Gesicht des anderen nicht sehen. Keine Mimik. Nichts. Olaf wusste nicht, ob Anne weinte, trübe in die Gegend stierte oder was auch immer.
    „Sag endlich was!“, forderte Olaf.
    „Ich denke nach.“
    „Gibst du nie auf? Auch der beste Kämpfer kommt einmal an den Punkt, an dem er verloren hat.“
    „Solange wir einen einzigen Liter Luft zum Atmen haben, haben wir noch nicht verloren.“
    „Dein Optimismus in Ehren, aber manchmal frage ich mich, ob das vielleicht bloß Sturheit ist. Du verschließt die Augen vor der Realität. Der verdammte Graben bricht uns das Genick. Wir werden vertrocknen auf dieser öden, fremden Welt.“
    „Sag das noch mal.“
    „Was? Wir werden vertrocknen in dieser öden, fremden Welt? Was ist daran so Besonderes?“
    „Das ist es. Du hast die Lösung!“
    Olafs letzte Worte elektrisierten Anne. Vor Aufregung hatten ihre Helme den Kontakt verloren. Mit einem heftigen Klacken stießen ihre Visiere wieder zusammen, weil sich beide gleichzeitig aufeinander zu bewegten. Glücklicherweise waren die Visiere sehr stabil.
    „Was ist es? Was habe ich gesagt?“
    „Du hast gesagt: fremde Welt.“
    „Ja und?“
    „Fremde Welt - andere Gesetze. Wir sind mit irdischem Denken an das Problem gegangen. Damit ist es unlösbar. Aber wir sind auf dem Mond. Wir müssen „mondisch“ denken, wenn du es so ausdrücken willst.“
    „Mondisch? Hört sich blöd an. Und wie ist dieses Denken?“
    „Ganz einfach: der fremden Welt angepasst. Auf der Erde schaffst du es niemals über einen zehn Meter breiten Graben, und wenn - bei fünfzehn Metern Höhenunterschied brichst du dir alle Knochen.“
    „Dieses Denken ist mir bekannt.“
    „Aber wir haben auf dem Mond nur ein Sechstel der irdischen Schwerkraft.“
    Jetzt begann Olaf zu verstehen. „Du meinst, die fünfzehn Meter auf dem Mond entsprechen nach irdischem Maßstab nur zweieinhalb Meter?“
    „Exakt. - Na ja, da ist zwar noch der Raumanzug mit seinem zusätzlichen Gewicht, aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen?“
    „Ich glaub, ich spinne. Du willst tatsächlich da rüberspringen?“ Olaf verdrehte die Augen, was Anne aber nicht sehen konnte. „Und wenn es nicht klappt?“
    „Auch ganz einfach: Dann sind wir eine halbe Stunde früher tot. Das ist der einzige Unterschied.“
    „Toll.“
     
    „Warte einen Moment. Ein bisschen Optimierung kann nicht schaden.“
    Olaf hätte auch ohne diese Aufforderung gewartet. Mit Annes Tempo kam er zurzeit nicht mit. Die kritzelte schon wieder Zahlen in den Staub.
    Noch eine Gedenkstätte für zukünftige Mondfahrer, dachte Olaf.
    Anne winkte ihn heran und Olaf stellte den Visierkontakt her.
    „Was hast du jetzt ausgerechnet?“
    „Es ist schon ein bisschen knapp. Da habe ich gedacht, ich berechne die optimale Flugbahn. Die geringere Schwerkraft verändert auch den bestmöglichen Absprungwinkel.“
    Mit schnellen Bewegungen zeichnete Anne den Graben in Profilansicht und eine weitere Linie. „So musst du springen. Dann kommst du bei diesem Höhenunterschied am weitesten.“
    „Und welche Startgeschwindigkeit sollte ich erreichen?“, fragte Olaf sarkastisch.
    „So schnell du kannst. Also streng dich an. Du hast nur einen Versuch.“
    „Danke, dass du mich daran erinnerst. Das hätte ich glatt vergessen.“
    „Los! Wir haben noch 25 Minuten.“ Anne ging zurück, um Anlauf zu nehmen.
    „Oder nur noch eine“, murmelte Olaf in seinen Helm.
     
    Anne lief los. Der Anzug behinderte mehr als gedacht. Dabei war er wesentlich besser als die Anzüge der ersten Mondfahrer. Die Kante kam näher. Jetzt überschritt sie den Point-of-no-return. Für Bremsen war es zu spät. Was der Anzug an Kraft verzehrte, machte Anne durch ihren eisernen Willen zu überleben wett.
    Olaf traute seinen Augen nicht. Wie in Zeitlupe segelte Anne über den Abgrund. Wo auf der Erde ein rasender Sturz in die Tiefe begonnen hätte, gab es hier eine sanft abfallende Flugbahn. Anne rotierte unterwegs einmal um ihre eigene Achse, weil sie sich mit rechts stärker abgestoßen hatte, aber das war nicht weiter schlimm. Knapp, aber doch auf der anderen Seite, kam sie an.
    Anne rührte sich nicht. Sie lag nur so da. Olaf hielt die Luft an. Eine Minute lang. Dann sah er eine Bewegung. Anne hob den Arm und winkte ihm.
     
    Und das soll ich jetzt

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