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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Korsetts und fühlte die entzückende Nähe ihres schönen Körpers.
    »Sie haben also bis jetzt nicht bemerkt, wie schön ich bin?« schien Helene zu sagen. »Und daß ich ein Weib bin, welches jedem gehören kann und auch Ihnen?« Und in diesem Augenblick fühlte Peter, daß Helene sein werden müsse, daß das nicht anders sein könne. Sie hatte schon Gewalt über ihn erlangt. Als die Hofdame sich näherte, faßte sich Peter und errötete in der Befürchtung, etwas Unpassendes getan zu haben.
    »Man sagt, Sie lassen Ihr Haus in Petersburg wieder herstellen?« sagte Anna Pawlowna, während er sich dem großen Kreis näherte. »Das ist gut, aber ziehen Sie nicht von Fürst Wassil fort, es ist gut, einen solchen Freund zu haben, Sie sind noch so jung und haben guten Rat nötig! Sie zürnen mir nicht, daß ich das Vorrecht der alten Damen, offen zu reden, in Anspruch nehme?« Sie schwieg, wie immer Damen erwartend schweigen, wenn sie von ihrem Alter gesprochen haben. »Wenn Sie heiraten, so ist es etwas anderes.«
    Peter errötete verlegen.
    Zu Hause konnte Peter lange nicht einschlafen. Was war mit ihm geschehen? Er begriff nur, daß Helene, die er als kleines Kind gekannt hatte, eine schöne Dame geworden war und daß sie ihm angehören könne.
    »Aber sie ist dumm und hat das selbst gesagt. Und in dem Gefühl, das sie in mir erregte, lag etwas Häßliches, Verbotenes. Man sagt, ihr Bruder Anatol sei verliebt in sie gewesen, und sie in ihn, es hat eine ganze Geschichte gegeben, und Anatol sei deshalb fortgesandt worden. Ihr Bruder ist dieser Hippolyt, schade!« dachte er. Er erinnerte sich der Anspielung der Hofdame, des Fürsten Wassil und anderer und wurde von Schrecken erfaßt bei dem Gedanken, daß er sich schon zu tief in eine Sache eingelassen habe, die nicht gut sei und die er vermeiden müsse. Dann aber, wenn er zu diesem Schluß kam, erschien ihm wieder das Bild Helenes in seiner entzückenden weiblichen Schönheit.

44
    Im November 1805 hatte der Fürst Wassil eine dienstliche Reise zur Revision in vier Gouvernements zu machen. Diesen Auftrag hatte er sich verschafft, um zugleich seine vernachlässigten Güter zu besichtigen. Er nahm seinen Sohn Anatol mit sich, um den Fürsten Bolkonsky zu besuchen und eine Heirat seines Sohnes mit der Tochter des reichen Grafen zustande zu bringen. Zuvor aber mußte er die Sache mit Peter zu Ende führen. Peter brachte in letzter Zeit ganze Tage zu Hause, das heißt beim Fürsten Wassil zu, bei dem er wohnte. Sein Wesen war in Gegenwart von Helene oft aufgeregt, lächerlich und einfältig, wie das eines Verliebten, aber noch immer hatte er keinen Heiratsantrag gemacht.
    »Das ist ganz schön, aber alles muß ein Ende haben«, sagte eines Morgens der Fürst mit einem Seufzer. »Das ist jugendlicher Leichtsinn, aber ich muß ein Ende machen. Übermorgen ist Helenes Namenstag, ich werde eine kleine Gesellschaft einladen, und wenn er nicht begreift, was er tun soll, so werde ich die Sache in die Hand nehmen, ich bin Vater.«
    Noch anderthalb Monate nach jener schlaflosen Nacht, wo Peter zu dem Schlusse gekommen war, daß eine Heirat mit Helene für ihn ein Unglück wäre, war er nicht aus dem Hause des Fürsten Wassil weggezogen und sah mit Schrecken, daß er in den Augen der Leute immer enger mit ihr verbunden war. »Aber ich muß doch endlich erkannt haben, wer sie ist? Habe ich mich früher geirrt, oder irre ich mich jetzt? Nein, sie ist nicht dumm, sie ist ein schönes Mädchen«, sagte er zuweilen zu sich selbst. »Sie spricht wenig, aber was sie sagt, ist einfach und klar.« Peter wußte, daß man von ihm erwartete, daß er das entscheidende Wort spreche, aber eine unbeschreibliche Angst hielt ihn von diesem letzten Schritt zurück. Tausendmal sagte er sich: »Was soll daraus werden? Ich muß einen Entschluß fassen.« Aber mit Schrecken sah er ein, daß ihm die Entschlossenheit fehlte. Peter gehörte zu den Leuten, die nur dann stark sind, wenn sie sich ganz rein fühlen, aber von jenem Tage an, als jenes Gefühl des Verlangens bei der Betrachtung der Tabaksdose erwacht war, lähmte ein geheimes Schuldbewußtsein alle seine Entschlossenheit.
    Am Namenstag Helenes versammelte sich eine kleine Anzahl der nächsten Verwandten und Bekannten. Alle wußten, daß an diesem Tag das Schicksal Helenes sich entscheiden sollte. Der Fürst war in bester Laune, hatte für jeden ein Scherzwort, mit Ausnahme von Peter und Helene, die er nicht zu bemerken schien, und belebte die ganze

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