Krieg und Frieden
errötete beim Anblick des Alten.
Die kleine Fürstin hatte sich sehr verändert, sie sah jetzt fast häßlich aus.
Der Alte fragte sie, wie sie sich befinde, und ob sie etwas nötig habe.
»Nein, ich danke, Väterchen«, sagte sie.
»Nun gut, gut!« Er ging nach dem Dienerzimmer, wo er den Verwalter antraf.
»Ist der Weg zugeworfen?«
»Jawohl, Erlaucht, vergeben Sie die Dummheit!«
Der Fürst unterbrach ihn mit seinem unnatürlichen Gelächter. »Nun gut, gut.« Er streckte die Hände aus, die der Verwalter küßte, und ging in sein Kabinett.
Am Abend kamen Fürst Wassil und sein Sohn an. Sie wurden in der Hauptallee empfangen und über den absichtlich mit Schnee zugeworfenen Weg nach dem Schloß geführt, wo besondere Zimmer für sie bereitstanden. Anatol rasierte und parfümierte sich sorgfältig und begab sich in das Zimmer seines Vaters.
»Nein, ohne Scherz, Väterchen, ist sie sehr häßlich, wie?« fragte er französisch, als ob er ein angefangenes Gespräch fortsetzte.
»Unsinn! Die Hauptsache ist, gib dir Mühe, ehrerbietig und vernünftig gegen den alten Fürsten zu sein.«
»Wenn er zu schimpfen anfängt, laufe ich davon«, sagte Anatol, »ich kann solche alte Menschen nicht ausstehen.«
»Erinnere dich, daß für dich alles davon abhängt.«
Inzwischen hatten die kleine Fürstin und Fräulein Bourienne von dem Kammermädchen Mascha alle Einzelheiten erfahren, was für ein rotwangiger, hübscher, junger Mann der Sohn sei, und wie der Alte kaum die Treppe hinaufkommen könne. Mit diesen Neuigkeiten eilten sie zu Marie. »Sie sind gekommen, Marie, wissen Sie!« sagte die kleine Fürstin und ließ sich schwerfällig auf einen Stuhl nieder. Sie trug nicht mehr jene Bluse, in der sie am Morgen erschienen war, sondern eines ihrer besten Kleider und ihr Haar war sorgfältig frisiert. Auch an Mademoiselle Bourienne war eine Veränderung zu bemerken, welche ihr hübsches, frisches Gesicht noch verführerischer machte.
»Bald wird man uns ankündigen, daß die Herren im Salon seien, also ist keine Zeit zu verlieren! Sie sind noch kaum frisiert!«
Die kleine Fürstin und Mademoiselle Bourienne begannen sogleich, sich mit der Toilette Maries zu beschäftigen. Marie war so häßlich, daß nicht einer von ihnen der Gedanke kommen konnte, sie als Rivalin anzusehen. »Nein, meine Liebe, dieses Kleid ist nicht hübsch«, sagte Lisa, »lasse dir ein anderes bringen! Wirklich. Vielleicht handelt es sich um dein Lebensglück! Aber dieses ist zu hell, es steht dir nicht gut.«
Daran war nicht das Kleid schuld, sondern das Gesicht und die ganze Gestalt Maries. Sie vergaßen, daß man ein ängstliches Gesicht nicht ändern kann. Aber als das andere Kleid kam, saß Marie unbeweglich vor dem Spiegel, betrachtete ihr Gesicht und Tränen glänzten in ihren Augen. Die kleine Fürstin nahm das Kleid aus den Händen der Zofe entgegen.
»Nein, lasse mich«, sagte Marie und ihre Stimme klang ernst und traurig. Die kleine Fürstin blickte in die großen, schönen Augen voll Tränen und begriff, daß es unnütz, sogar grausam wäre, darauf zu bestehen. Marie blieb allein in tiefes Nachdenken versunken. »Wünsche nichts für dich! Selbst dein zukünftiges Geschick muß dir unbekannt bleiben, aber lebe so, daß du auf alles gefaßt bist. Wenn es Gott gefällt, dir die Pflichten der Ehe aufzuerlegen, so sei bereit, seinen Willen zu erfüllen«, sagte sie endlich zu sich selbst.
46
Als Marie mit ihren schweren Schritten ins Zimmer trat, erhoben sich die Herren und Fräulein Bourienne.
»Hier ist Marie«, sagte die kleine Fürstin zu den Herren mit einer Handbewegung.
Der Fürst Wassil ging ihr entgegen und sie küßte sein kahles Haupt. Dann trat auch Anatol näher. Sie hatte ihn nie gesehen, sie fühlte nur die zarte Hand, welche die ihrige festhielt. Als sie ihn anblickte, war sie erstaunt über seine Schönheit. Anatol war nicht findig und beredt im Gespräch, aber er besaß jene in der Welt kostbaren Eigenschaften der Ruhe und des unerschütterlichen Selbstvertrauens. Das Gespräch wurde bald lebhaft, namentlich durch die Teilnahme der kleinen Fürstin.
»Jetzt haben wir Sie wenigstens ganz für uns, lieber Fürst«, sagte sie natürlich französisch. »Das ist nicht so wie auf den Soireen bei Anna Pawlowna, wo Sie immer davonliefen.«
»Nun, Sie sprechen wenigstens nicht von Politik wie Anna Pawlowna.«
»Warum sind Sie nie dort gewesen?« fragte die kleine Fürstin Anatol. »Ah, ich weiß, ich weiß«, sagte
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