Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
auf einem Rost »zwecks langer Peinigungen«. Und bei all dem und vielem mehr sind diese Helden standhaft, guten Mutes, in bester Verfassung. »Ja, sie jubelten und sangen dem Gott des Alls Lob- und Danklieder bis zum letzten Atemzug.« 41
Andere Christgläubige, weiß Euseb, wurden »auf Befehl der Dämonendiener« in die Tiefen des Meeres versenkt, wurden gekreuzigt, geköpft – »bisweilen sogar hundert Männer nebst kleinen Kindern (!) und Weibern an einem einzigen Tag ... Das Richtschwert wurde stumpf ... die Henkersknechte mußten sich vor Erschöpfung gegenseitig ablösen.« Wieder andere warf man »menschenfressenden Bestien« vor, wilden Ebern, Bären, Panthern. »Wir selbst waren bei diesen Kämpfen zugegen (!) und sahen, wie die göttliche Kraft unseres Erlösers Jesus Christus, dem das Zeugnis galt, erschien ... Und wenn die Bestien je zum Sprunge ansetzten, wichen sie, wie von einer göttlichen Kraft angehalten, immer wieder zurück.« Von Christen – »fünf waren es im ganzen« –, die ein »wütender Stier« zerfetzen sollte, berichtet der Bischof: »So sehr er mit den Füßen stampfte und mit dem Gehörn hierhin und dorthin stieß und, durch glühendes Eisen gereizt, Wut und Verderben schnaubte, er wurde von der heiligen Vorsehung zurückgedrängt.« 42
Christliche Geschichtsschreibung!
Einmal erwähnt Euseb »ein ganzes von Christen bewohntes Städtchen in Phrygien«, dessen Bewohner man »samt Frauen und Kindern« verbrannte – unterschlägt aber leider den Namen des Ortes. Überhaupt weicht er, obwohl ja wiederholt Augenzeuge, genaueren Angaben in der Regel geflissentlich aus, renommiert jedoch unentwegt mit »zahllosen Scharen«, kennt »große Massen«, teils durchs Schwert hingerichtet, teils verbrannt, »unzählige Männer mit Weibern und Kindern« (!), die »um der Lehre unseres Erlösers willen ... auf verschiedene Weise« starben. »Ihre Heldentaten sind über jede Beschreibung erhaben.« 43
Es sei nicht unerwähnt, daß 335 auf dem Konzil von Tyrus (S. 373) der ägyptische Bischof Potamon von Herkleia Bischof Euseb des Abfalls während der Verfolgung bezichtigt hat. Freilich ist dies unbewiesen und kann auch, wie so oft, Verleumdung eines Amtsbruders durch einen Amtsbruder sein. 44
Der Verfolgung in Gallien im Jahr 177 unter Mark Aurel (161–180), dem Philosophen auf dem Kaiserthron (dessen »Selbstbetrachtungen« noch Friedrich II. von Preußen bewundert), rühmt Euseb »Zehntausende von Märtyrern« nach. Die Martyrologien zu der Verfolgung in Gallien unter Mark Aurel aber nennen – 48 Märtyrer. Und davon bleiben selbst im
›Lexikon für Theologie und Kirche‹
noch acht Märtyrer übrig; die hl. Blandina »mit dem hl. Bischof Potinus und sechs anderen Genossen«. Dagegen ist später die Zahl der
heidnischen
Märtyrer in Gallien »besonders ... groß« (C. Schneider). 45
Von der Christenverfolgung Diokletians, wider Willen des bedeutenden Herrschers die härteste überhaupt, konnte Euseb, da den Zeitgenossen noch bekannt, nicht mehr Zehntausende von Opfern (mehr bewundern als) beklagen. (Verfolgungen sind Kirchenführern häufig willkommen. Auch bei Päpsten des 20. Jahrhunderts kann man dies lesen. 46 Verfolgungen pulvern auf, treiben zu engerem Zusammenschluß – die beste Propaganda durch die Zeiten!) Euseb, der »über die Märtyrer in Palästina« eine gesonderte Schrift publizierte und in seiner Kirchengeschichte schreibt: »Wir kennen diejenigen aus ihnen, die in Palästina ... sich hervorgetan«, Euseb nennt nun nicht mehr »Zehntausende«, sondern eine Gesamtzahl von 91 Märtyrern. 1954 überprüfte de Ste Croix in
›Harvard Theological Review‹
die Angaben des »Vaters der Kirchengeschichte«, wobei noch sechzehn Märtyrer übrigblieben – in der schlimmsten und zehnjährigen antiken Christenverfolgung in Palästina nicht einmal zwei pro Jahr. Trotz allem hielte einer seiner heutigen Verteidiger den Schluß für verfehlt, Euseb »habe keinerlei wissenschaftliches Gewissen gehabt« (Wallace-Hadrill). 47
Selbst die heidnischen Kaiser aber, von »Gott« gesandt doch, Repräsentanten seiner »Ordnung« (S. 191), wurden jetzt durch den ärgsten kirchenväterlichen Dreck gezogen. Waren sie für Athenagoras im späten
z.
Jahrhundert noch gütig und mild, weise und wahrheitsliebend, friedfertig, wohltätig, wissensdurstig (S. 193), geißelt man sie schon im frühen 4. Jahrhundert als Monstra ohnegleichen.
5. Kapitel
Der hl. Konstantin, der erste christliche Kaiser.
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