Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
gegenüber Vätern und Lehrern. 27
Besonders aber drangen, ging es um ihre Sache, die Kirchenführer auf Undank, Ungehorsam, jede Rücksichtslosigkeit. Clemens von Alexandrien: »Wenn einer einen gottlosen Vater oder Bruder oder Sohn hat ... mit diesem soll er nicht zusammenstimmen und
eines
Sinnes sein, sondern er soll die fleischliche Hausgenossenschaft der geistigen Feindschaft wegen auflösen ... Christus sei in dir Sieger.« Kirchenlehrer Ambrosius: »Die Eltern widersetzen sich, doch sie wollen überwunden werden ... Überwinde, Jungfrau, erst die kindliche Dankbarkeit. Überwindest du die Familie, überwindest du auch die Welt.« Nach Kirchenlehrer Chrysostomos darf man seine Eltern gar nicht erkennen, behindern sie ein asketisches Leben. Kirchenlehrer Kyrill von Alexandrien verbietet »die Ehrfurcht vor den Eltern als unangebracht und gefährlich«, wenn »der Glaube Schaden leidet«. Auch muß »das Gesetz der Liebe zu Kindern und Geschwistern zurücktreten und schließlich für die Frommen der Tod den Vorzug verdienen vor dem Leben«.
Kirchenlehrer Hieronymus treibt den Mönch Heliodor (später Bischof von Altinum bei Aquileja), den die Liebe zur Heimat, zu seinem Neffen Nepotian, schon bald vom Orient wieder heimkehren ließ, zum Bruch mit den Seinen: »Mag dir auch dein kleiner Neffe am Halse hängen, mag auch deine Mutter mit aufgelösten Haaren und zerrissenen Kleidern die Brüste zeigen, an denen sie dich genährt, mag sogar dein Vater auf der Schwelle liegend dich beschwören: schreite mutig über den Vater weg, und fliehe trockenen Auges zum Panier Christi!« (Dabei charakterisiert es Hieronymus, daß für ihn selber beim Verlassen der Eltern und Schwestern das größte Opfer der Verzicht auf die Freuden einer reich besetzten Tafel war, eines üppigen Lebens – sein eigenes Bekenntnis!) Kirchenlehrer Papst Gregor I.: »Denn wer nach den ewigen Gütern gierig verlangt, soll ... auf keinen Vater, auf keine Mutter, auf keine Gattin, auf keine Kinder ... achten.« Der hl. Kolumban d.J., der Apostel Alemanniens, schritt über seine Mutter, die weinend auf der Erde lag, hinweg und rief, in diesem Leben werde sie ihn nicht wiedersehn. Und Jahrhunderte später schrieb, mit starkem Anklang an Hieronymus, der selber so viele literarisch bestahl, Kirchenlehrer Bernhard: »Wenn dein Vater sich über die Schwelle geworfen hätte, wenn deine Mutter mit entblößten Busen dir die Brüste zeigte, an denen sie dich nährte ... tritt mit Füßen über deinen Vater! tritt mit Füßen über deine Mutter! und trockenen Auges enteile zum Panier des Kreuzes!« 28
Trockenen Auges, ja, mit Haß und Hohn mustert man sogar Blutzeugen anderen christlichen Glaubens.
Gemäß dem augustinischen Axiom »Martyrem non facit poena sed causa«: Märtyrer wird man nicht durch die Strafe (die man erleidet), sondern durch die Sache (die man vertritt), verbot die Großkirche strikt die Verehrung nichtkatholischer Märtyrer. Waren sie doch, so im 4. Jahrhundert die Synode von Laodicea (Phrygien), »falsche Märtyrer« und »fern von Gott«. Sie vergossen, nach Cyprian, Chrysostomos, Augustinus, sinnlos ihr Blut (nur zu wahr freilich) und blieben Verbrecher. Augustins Fanatismus bezeugt sein Diktum: Auch wer sich für Christus lebendig verbrennen ließe, wäre ewiger Höllenpein sicher, gehört er nicht der katholischen Kirche an. Und ganz ähnlich lehrt, ein knappes Jahrhundert später, Fulgentius, Bischof von Ruspe – in einer Schrift, die, im Mittelalter als augustinisch geltend, viele Leser fand –, mit unerschütterlichem Glauben festzuhalten, »daß kein Häretiker oder Schismatiker ... gerettet werden kann, auch wenn er noch so reichlich Almosen gespendet oder sogar sein Blut für den Namen Christi vergossen hätte!« 29
Katholiken, die in Märtyrerkapellen von »Häretikern« beteten, wurden gebannt, zumindest exkommuniziert, bis sie gebüßt hatten und die Glaubenshelden der jeweils anderen Partei oft mit den ungeheuersten Verleumdungen überschüttet. Cyprian, Tertullian, Hippolyt, Apollonius und weitere leisteten da Staunenswertes. Letzterer, zum Beispiel, behauptet von dem Montanisten Alexander, er sei »Räuber« gewesen und »nicht wegen seines Glaubens« verurteilt worden, sondern wegen seiner »Räubereien«, die er, versteht sich, »als bereits Abtrünniger verübt«. Und mitunter mag man nicht einmal verleumdet haben! Während jedenfalls die eigne Seite stets hoch und heilig glaubt, bekennt, für die Wahrheit
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