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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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ja, sein Geschichtswerk wurde am polnischen Hof Würdenträgern nicht nur vorgelesen, sondern dabei auch zensuriert.
    Wie weit die Selbständigkeit des Polenherrschers deshalb wirklich ging, ob ihn Otto zum patricius oder zum König ernannte, Polen also ein abhängiges oder unabhängiges Land war, ist bis heute heftig kontrovers, besonders selbstverständlich zwischen der deutschen und polnischen bzw. osteuropäischen Forschung, in der, neben vielem, nicht zuletzt der politische Status quo mächtig herumspukt.
    Unbestreitbar ist: Boleslaw empfing eine Nachbildung der (heute im Krakauer Domschatz befindlichen) Heiligen Lanze, die den Empfänger zur »defensio ecclesiae« verpflichtete (und gab als Gegengeschenk den Arm des hl. Adalbert). Auch die Rechte des Kaisers über die polnische Kirche gingen auf Boleslaw über. Sein Ansehen wurde somit enorm gesteigert, sein Ehrgeiz desgleichen. Und den Vorteil all dieser Würden- und Insignienverleihungen hatte schließlich nicht das römische Reich, sondern die römische Kirche – bis heute. 20
    Aber die nationale Mission im Osten war nun einmal sehr mit dem Odium des »deutschen« Gottes belastet. Dies hatte erst 983 der Liutizenaufstand wieder drastisch gezeigt. Deshalb machte Otto die Polnische Kirche selbständig. Als »Apostel im Dienste des Herrn« (Holtzmann), als »Knecht Jesu Christi«, ein paulinischer Titel, der die »apostolisch-kirchliche Rolle des Kaisers« hervorhebt und Ausdruck seiner »sehr engen Zusammenarbeit« mit dem Papst ist (Jedlicki) – wallfahrtete er im Jahr 1000 nach Polen, wurde an der Grenze von Boleslaw Chrobry »sehr freudig« empfangen und sank in dessen Hauptstadt Gnesen tränengebadet am Grab des hl. Märtyrers nieder.
    Die Aufgabe Ottos im Osten, die auch der eben erwähnte Titel »servus Jesu Christi« ausdrückt und mit der Auffassung des Kaisers wie der des Papstes übereinstimmt, hatte kurz vorher Gerbert, der künftige Papst, so formuliert: »die Legionen zu sammeln, in das feindliche Land einzubrechen, den Angriff der Feinde auszuhalten, sich selbst für das Vaterland,
für die Religion
und für das Wohl ... des Staates den größten Gefahren entgegenzustellen«.
    Alle Aktionen in Gnesen entsprangen der Kooperation von Kaiser und Papst. Zweifellos mit diesem gemeinsam gründete Otto anno 1000 das polnische Erzbistum Gnesen auf der dortigen Burg – in Anwesenheit des päpstlichen Legaten und Boleslaws I. Chrobry und gegen den Widerstand des Posener Bischofs Unger, eines Deutschen. Otto gab dem neuen Bistum einen slawischen Heiligen, seinen Freund Vojtech-Adalbert, gab ihm einen slawischen Erzbischof, nämlich Adalberts Halbbruder Radim-Gaudentius, der Adalbert auf seiner Missionsreise zu den Prußen begleitet hatte. Und er unterstellte ihm die Suffraganbistümer Breslau, Kolberg, Krakau, vermutlich sogar weitere.
    Mit dieser schicksalhaften Konzession an den Polenfürsten verfolgte der Kaiser religiöse und politische Zwecke. Polen sollte so, ähnlich wie Ungarn, kirchlich gefestigt, enger ans Christentum gebunden und eine Ausfallbastion gegen den Paganismus im Norden werden. Zugleich wollte Otto dadurch natürlich die Stoßkraft des Reiches verstärken, dieses weiter ausbreiten und ihm auch die Länder des Ostens eingliedern.
    Polen war deshalb für die Christen interessanter als Böhmen. Herzog Boleslaw, den man mit Ehren und Gunstbezeugungen fast überhäufte, wies man Selencia, Pommern und Preußen als Missionsgebiete zu, wobei sich der Papst auch eine Verbesserung der kirchlichen Vermögensverhältnisse versprach. In mittelitalienischen Klöstern und in Polen ließ man spezielle Missionare für die Slawenmission ausbilden, wobei die Ausländer bis auf Kleidung und Haarschnitt sich den Slawen anpaßten. 21
    Auch hinsichtlich Ungarns arbeiteten Otto III. und der Papst zusammen. Dort hatte sich Waik, der Sohn Herzog Gaisas von Ungarn, 996 taufen lassen und den Namen Stephan angenommen. Der Kaiser war sein Taufpate, und gemeinsam mit dem Papst genehmigte er im April 1001 die Errichtung des Erzbistums Gran. Ein Schüler Adalberts, Ascherius, übernahm es und krönte als päpstlicher Legat Stephan mit einer von Otto übersandten Krone. Ähnlich wie in Polen, griffen also auch in Ungarn Kaiser und Kirche gemeinsam nach Osten aus. Aber auch im hohen Norden und im Süden, in Dalmatien, deuteten sich weitere Missionserfolge und Triumphe Ottos III. an. »Als neuer Apostel begriff er sich. So traten in seinem Ideenkreis die geistlichen

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