Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Bernward mit einem ansehnlichen bewaffneten Aufgebot. Denn: »Als Bischof führte er einen Wandel genau nach der Forderung des Apostels« – der ja auch schon zu Jesu Zeiten das Schwert geschwungen. (Heiligkeit ist »immer gesundes und blutvolles Leben, stets höchste und gesammelte Kraft«; zumal »deutsche Heilige sind deutsche Helden und deutsche Heldinnen, also auch Führerpersönlichkeiten des deutschen Volkes«, schrieb Johannes Walterscheid natürlich 1934, und natürlich mit Imprimatur des Generalvikars von Kardinal Faulhaber, dem großen Widerstandskämpfer. Denn 1934 schien es den Herren »besonders angebracht, das deutsche Volk zu einer solchen Betrachtung des Lebens der deutschen Heiligen hinzuführen«, sollten die deutschen Heiligen doch 1934 »die unentbehrlichen Helfer beim inneren Aufbau unseres Vaterlandes sein ... vielleicht auch Kriegsführer, wie unsere großen Bischöfe des Mittelalters ...«)
Da wären wir also wieder bei unserem Helden, beim hl. Bernward, und dem päpstlichen Legaten, die seinerzeit von gegnerischen Bischöfen »in unglaublicher Weise« beschimpft, bedroht worden sind. Es kam »zu schier unbeschreiblichem Streit und Tumult. Denn dem Stellvertreter des Papstes gestand man nicht einmal einen angemessenen Sitzplatz zu. Ein fürchterlicher Lärm brach aus, Recht und Gesetz wurden mißachtet, jegliche kanonische Ordnung hörte auf.« Zuletzt drangen sogar Laien in die Kirche der Gottesmänner. Und angeblich schrien natürlich »die Mainzer nach Waffen und stießen unerhörte Drohungen gegen den Stellvertreter des Papstes und gegen Bischof Bernward aus.« »Tod den Reichs Verrätern«, schrien die Leute des Erzbischofs, des hl. Willigis, »nieder mit Bernward, nieder mit dem Cardinal Friedrich.« Doch am nächsten Tag, Erzbischof Willigis hatte sich in aller Morgenfrühe mit seiner Schar heimlich aus dem Staub gemacht, suspendierte ihn der päpstliche Legat feierlich von jeder priesterlichen Tätigkeit, worum sich der Mainzer freilich nicht kümmerte. Vielmehr suchten seine Vasallen bald darauf in der Nacht die Abtei Hildwardshausen heim, ein Geschenk des Kaisers für den hl. Bernward, von diesem selbst »aufs ehrerbietigste eingeweiht, sorgfältig für den Dienst Gottes ausgestattet und durch viele Wohltaten und Geschenke in reichem Maße ausgezeichnet«. Und natürlich waltete dort seine Tante als Äbtissin. Jetzt aber »überfielen die Leute des Erzbischofs im Dunkel der Nacht die Abtei, drangen überall ein und schlugen alles kurz und klein«.
Christen, nein – Heilige unter sich!
Nun wollte der hl. Bischof Bernward im Kloster Gandersheim »nach dem Rechten sehen«. Doch die Gandersheimer Nonnen setzten beim Anrücken Bischofs Bernwards ihr Kloster in Verteidigungszustand. Kastell, Türme und Schanzen wimmelten derart von Bewaffneten des Stifts und des Mainzer Erzstifts, daß der heranrückende hl. Bischof sich schnellstens wieder in seinen – von ihm selbst – ummauerten und turmbewehrten Hildesheimer Dombezirk zurückzog. 25
Auf einer weiteren Synode in Frankfurt, im Sommer 1001, auf der Bischof Bernward wieder fehlte – er schützte Krankheit vor –, stellten sich auch die maßgeblichen deutschen Prälaten auf die Seite des Mainzers. Und als der Papst am 27. Dezember 1001 in Todi ein Konzil eröffnete, um Willigis angesichts der deutschen Bischöfe zu demütigen, fanden sich nur drei von ihnen ein, wobei zwei, Siegfried von Augsburg und Hugo von Zeits, schon seit längerem im Gefolge des Kaisers standen, der dann kurz darauf, am 23. Januar 1002 in Paterno starb.
Bernward von Hildesheim ging erst am 20. November 1022 »zum besseren Dasein über« und wurde »bald durch leuchtende Wunder in den weitesten Kreisen verherrlicht« (Wetzer/Welte). Er stieg in der ganzen katholischen Christenheit zum Heiligen und Nothelfer auf, indes die Mitte des 12. Jahrhunderts in Mainz eifrig betriebene Kanonisation seines Gegners durch die Wirren, die dort zur Ermordung des Erzbischofs Arnold führten, ins Stocken geriet. Erst im 17. Jahrhundert brachte Willigis es zu einem heute fast vergessenen Mainzer Lokalheiligen, und auch dies nur »weil ein findiger Domprobst in der Erhebung seiner Gebeine eine gute Reklame zur Steigerung der Einnahmen des Stephansstiftes erblickte« (Böhmer). 26
Der Gandersheimer Streit war damit nicht beendet. Sophie, inzwischen Äbtissin in Gandersheim (1001–1039) – auf dessen Äbtissinnenstuhl noch bis 1125 fast ausschließlich kaiserliche
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