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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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„Wie fühlst du dich, Markus?“, fragte Onkel Hans vom Liegestuhl her.
    „Danke, satt“, sagte Markus undeutlich, schluckte das letzte Stück Melone und wischte die klebrigen Finger an der Jeanshose ab. Satt war er wirklich, denn Tante Lisa hatte ihm zum Abendessen die herrlichsten italienischen Käse- und Schinkensorten auf den Teller gehäuft. Trotzdem fühlte er sich nicht ausgesprochen glücklich. Er wäre so gern noch einmal Boccia spielen gegangen. Aber mit wem? Onkel Hans und Tante Lisa waren leider viel zu faul — zur Unrechten Zeit faul, dachte Markus. Am Vormittag, bei den Stadtbesichtigungen und Museumsbesuchen, waren sie für seinen Geschmack viel zu emsig gewesen.
    Mit wem also Boccia spielen? Vielleicht mit dem netten amerikanischen Ehepaar von nebenan? Markus spähte zwischen den Oleanderbüschen zur Nachbarveranda hinüber. Ja, dort saßen die beiden bei einem Glas Wein und schauten stumm in den Abendhimmel, genau so faul wie Tante Lisa. Dabei waren sie tagsüber recht sportlich, der Mister Giorgio Hunter („echt italienischer Großvater“, hatte er stolz zu Markus gesagt) und seine schwarzhaarige Frau, die bestimmt auch einen italienischen Großvater hatte. Tagsüber sportlich, aber am Abend faul —
    Also, mit wem? Markus hatte Pech. Es gab keine gleichaltrigen Jungen hier in San Nicola, keinen einzigen Elf- oder Zwölfjährigen auf dem ganzen großen Gelände. Nur winzige Knirpse von drei oder vier Jahren, die mit knallroten Schwimmflügeln im Swimmingpool zappelten, das war alles.
    „Wie fühlst du dich, Lisa?“, fragte Onkel Hans. Seine Stimme klang zärtlich.
    „Rundherum zufrieden“, sagte Tante Lisa. Sie lag im Liegestuhl, einen Seidenschal um die Schultern, hatte die Hände im Nacken verschränkt und bewunderte den Abendhimmel.
    Markus dachte: Sie schnurrt wie eine Katze, die sieben Mäuse verspeist hat. Er konnte seine Tante gut leiden, aber manchmal verstand er sie nicht. Wenn sie zum Beispiel behauptete, sie sei wunschlos glücklich, solange nur Onkel Hans neben ihr sitze. Das war doch ziemlich übertrieben, fand Markus. Ihre Verliebtheit dauerte nun schon ziemlich lange, so drei oder vier Jahre, rechnete er nach. Bei ihrer Hochzeit war er noch in der Volksschule gewesen und hatte — widerstrebend und mit rotem Kopf — Tante Lisas unnötig langen Brautschleier tragen müssen. Das hatte er ihnen lange nicht verziehen.
    Trotzdem — es war freundlich von ihnen, dass sie ihn nach Italien mitgenommen hatten. Zwar hatte er sich unter „Ferien in Italien“ einen Sandstrand mit sehr viel Meer und Fischerbooten vorgestellt, aber so schlecht war es hier in der Toskana auch nicht. Und weder Tante Lisa noch Onkel Hans hatten ihn bisher an das Mathebuch erinnert, das die Mutter ihm eingepackt hatte, mit sanften Ermahnungen („Nur ein halbes Stündchen täglich üben, Markus, damit du gleich von vornherein einen besseren Start in der zweiten Klasse hast...“). Es stimmte, das Mathe-Genügend im Zeugnis war nur mit knapper Not zustande gekommen. Und so war es Tante Lisa hoch anzurechnen, dass sie beim Anblick des Mathebuches nur gemurmelt hatte: „Also, zuerst brauchst du gründlich Ferien, Markus. Fürs Mathelernen ist im August bei Tante Mona noch genügend Gelegenheit.“ Tante Mona war eigentlich eine Großtante. Sie lebte in Deutschland und tauchte samt Dackel Theodor regelmäßig bei größeren Familienfesten auf. Sie war berühmt dafür, dass man ihr in den Ferien Kinder mit Lernproblemen zustecken konnte. „Auch ich“, hatte Tante Lisa tröstend zu Markus gesagt, „habe in meiner Gymnasiumszeit einmal einen mathematischen August bei Tante Mona verbracht. Es war halb so schlimm. Jetzt denk nicht dran, und genieße Italien!“
    Ja, das wollte Markus auch tun. So gut es eben ging mit lauter Erwachsenen. Er hörte Tante Lisa glücklich seufzen. Sie zeigte zur untergehenden Sonne hinüber.
    „Was für lange Schatten die Pinien werfen“, murmelte sie. „Überlange Schatten. Abendschatten. Ich wollte, ich könnte malen. Diesen wundervollen Abendhimmel und die Vögel, die über ihn hinweghuschen.“
    „Das sind Fledermäuse“, sagte Markus. „Die wohnen dort in den alten Eichen.“
    Tante Lisa stieß einen kleinen Schrei aus. „Fledermäuse! Wenn die einem in die Haare geraten — sie verwickeln sich hilflos — man muss sie herausschneiden —“
    „Fledermäuse fliegen mit Radar“, brummte Markus. „Die weichen dir rechtzeitig aus.“
    Lisa schien nicht ganz überzeugt

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