Kristall der Macht
dem Ziel, auch den letzten Rakschun vom Angesicht der Erde zu tilgen.«
»Haben sie dir das erzählt?«, wollte Rivanon wissen.
»Ja, das haben sie.«
»Dann ist es gelogen.« Offenbar dachten die anderen Hauptleute ebenso, denn es war zustimmendes Gemurmel zu hören.
»Es ist die Wahrheit!« Prinz Kavan trat vor. »Ich habe mehr als sechs Monate unter den Rakschun gelebt«, sagte er. »Ich habe viel über sie erfahren und sie als Menschen zu respektieren gelernt. Ich kann bestätigen, dass diese Frau die Wahrheit sagt.«
»Woher weißt du das?«, fragte Rivanon.
»Aus den Schriften ihrer Vorfahren.«
»Die Schriften lügen dann auch.« Rivanon ließ sich nicht beirren. »Die Texte wurden damals bewusst so verfasst, dass der Hass auf Baha-Uddin über Generationen hinweg erhalten blieb.«
»Nicht ihre, eure Schriften sind es, die Lügen erzählen«, mischte sich die Maor-Say in das Gespräch ein.
»Wie kannst du es wagen?« Azenor hob drohend die Hand zum Schlag.
» Weil die Geschichte vom Tod des Prinzen Marnek – deines ältesten und ach so geliebten Sohnes, der einen Frieden mit den Rakschun herbeisehnte – darin auch nicht der Wahrheit entspricht«, wandte die Frau ungerührt ein. »Du müsstest das wissen, denn du bist derjenige, der alles veranlasst hat. Den Überfall mit den als Rakschun verkleideten Kriegern aus Baha-Uddin. Den grausamen Tod des Prinzen, dessen Gliedmaßen dem Volk von Baha-Uddin einzeln zurückgegeben wurden, um ihren Hass zu schüren, und das darauffolgende Massaker an den beteiligten Kriegern, die während eines Erkundungsritts am Ufer des Gonwe angeblich in einen Hinterhalt der Rakschun gerieten.«
»Du hast Marnek töten lassen?« Prinz Kavan war fassungslos.
»Ihr … Ihr habt Euren eigenen Sohn getötet?« Fürst Rivanon, der dem Prinzen Marnek immer eng verbunden gewesen war, starrte den König an, als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Das ist eine infame Lüge!« König Azenor war außer sich. »Ich … ich würde niemals …«
»Du würdest niemals etwas dulden, was deinem Ziel, die Rakschun bis auf den letzten Mann zu töten, im Wege steht – selbst wenn es um deinen eigenen Sohn geht.« Die Maor-Say sprach ganz ruhig.
»Wer behauptet das?« Triffin sah sich zum Einschreiten gezwungen. Die Gemüter waren erhitzt, Streit lag in der Luft. »Wenn du so etwas behauptest, solltest du Beweise haben.«
»Die habe ich.« Die Frau schien sich ihrer Sache ganz sicher zu sein. »Mehr noch, es gibt sogar einen Zeugen.«
»Wen?« Die Stimme des Königs bebte vor Zorn. »Wer wagt es, solch infame Lügen gegen seinen König zu verbreiten?«
»Ich!« Eine Gestalt löste sich aus der Gruppe am Ufer und schwebte auf den König und die anderen zu.
»Pever!« Triffin traute seinen Augen nicht. Pever war sein Freund gewesen. Ein Kamerad, mit dem er die ganze Ausbildung hindurch Blut, Schweiß und Tränen geteilt hatte. »Wie ist das möglich? Ich dachte, du bist tot.«
»Das glaube ich gern.« Pever lachte, aber es lag keine Freude darin. »Ich bin der einzige Krieger, der dem Hinterhalt am Gonwe damals entkommen ist«, erklärte er mit einem finsteren Seitenblick auf den König. »Die Häscher des Königs überraschten uns im Schlaf und töteten alle meine Kameraden. Ich hatte Glück, weil der erste Schwerthieb daneben ging, und rettete mich mit einem Sprung ins Wasser. Sie suchten mich lange und glaubten dann wohl, dass ich ertrunken sei. Ich aber bin ans andere Ufer geschwommen, wo ich mehr tot als lebendig von einem Sklavenhändler gefunden und an die Rakschun verkauft wurde.« Er nickte Prinz Kavan zu. »Ein Schicksal, das ich mit dem Prinzen teile.«
»Pever!« Prinz Kavan trat auf den Sklaven zu und bedachte ihn mit einem langen Blick. »Hast du es gewusst?«, fragte er schließlich. »Wusstest du, wer dein Freund Taro, der Sklave ohne Gedächtnis, wirklich war?«
»Ja.« Pever nickte. »Ich habe Euch sofort erkannt, als ich Euch das erste Mal beim Dungsammeln begegnet bin. Zuerst war ich erstaunt, dass die Rakschun Euch wie einen gewöhnlichen Sklaven behandelten, aber dann hörte ich, wie es Euch ergangen war, und beschloss, um Eurer Sicherheit willen zu schweigen.« Er senkte den Blick und sagte: »Der Tod Eures Bruders lastet schwer auf meinem Gewissen. Ich wollte nicht, dass Euch etwas zustößt.«
»Ich danke dir.« Prinz Kavan nickte Pever zu.
»Wie bist du hierhergekommen?« Triffin konnte die Frage nicht länger zurückhalten, die ihm auf der Zunge
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