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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Gallen, hatte darauf ihr Zimmer im Hotel ›zum Hirschen‹ aufgegeben und war in die Werkstatt des Velohändlers Graf übergesiedelt. Frau Anni Rechsteiner-Ibach hatte sich bereit erklärt, dem Fräulein ein Bett zu vermieten.
    Um sechs Uhr nachmittags erschien in dem Weiler Schwarzenstein Graf Fritz, Bruder des Verhafteten, ein schiefes Männlein mit einem Buckel und verzerrten Gesichtszügen. Auch Graf Fritz nahm Wohnung im verlassenen Hause seines Bruders.
    Um Viertel ab acht Uhr aßen drei Herren im großen Speisesaal zu Nacht. Nach dem Essen, punkt halb neun, stand Herr Joachim Krock vom Tische auf, reckte sich und ging zum Klavier. Er spielte vier Takte und fiel dann von seinem Stuhl.
    In seinen Mundwinkeln stand Schaum, seine Augen waren weit aufgerissen und die Pupille so groß, daß man die Iris kaum mehr sah. Wachtmeister Studer hob den eleganten Herrn, den Krämpfe schüttelten, vom Boden auf und trug ihn mit Hilfe seines Schwiegersohnes hinauf in das Zimmer Nr. 7, das Herr Krock belegt hatte. Dann rief er den Doktor Salvisberg an, der versprach, zu kommen.
    Aber als der Arzt nach einer Viertelstunde erschien, war Joachim Krock schon tot. Dr. Salvisberg stellte eine Vergiftung fest.
     
    Betrat man das Zimmer, so sah man den Kranken zuerst nicht. Denn der Kopf des Bettes stand gerade neben der Tür, von ihr einzig durch ein Nachttischlein getrennt, auf dem Medizingütterli und Pillenschächteli standen. Man öffnete die Tür und hatte den Eindruck, ins Freie zu treten: eine riesige Glastür, die vom Fußboden zur Decke reichte, öffnete sich auf einen Balkon, von dem man weithinaus ins Land blicken konnte – und in der Ferne schimmerte der Bodensee.
    Studer betrat das Krankenzimmer hinter Doktor Salvisberg und, wie gestern schon, erschrak er über das Aussehen des Wirtes.
    Ein mageres Gesicht, die rechte Seite kleiner als die linke, wie der Mond, wenn er abnimmt, der Nasenrücken scharf; die Augen glänzten hellbraun wie unreife Haselnüsse. Starr blickten sie geradeaus, unbeweglich – und unbeweglich blieben sie auch. Wollte der Kranke die Richtung seines Blickes ändern, so drehte er den ganzen Kopf: nach rechts, nach links. Oder er hob und senkte ihn… Seine Stimme war weinerlich.
    – Was man denn schon wieder von ihm wolle? »Grüezi, Herr Dokter. Salü Studer! Wend-er Platz neh…« Es sei heut gar nicht gut gegangen…
    Der Puls!… Und das Herz!… Und auch die Nieren täten ihm wieder weh… »Jechter o-ond-oh! Han i Schmerze!«
    Die Hände krochen auf der Decke herum und erinnerten an Meertiere, Krabben. Undenkbar schien es, daß zwischen Haut und Knochen noch Fleisch vorhanden war – die Haut mußte auf den Knochen liegen und dann wirkte sie wohl hart und spröde wie ein kalkiger Schalenpanzer.
    Dr. Salvisberg setzte sich nicht. Er begann unter den Medikamenten auf dem Nachttisch zu stöbern. Nahm ein Schächteli auf, ein anderes, ein drittes, suchte weiter, öffnete die Schublade, warf auch dort Kartonschachteln durcheinander – schließlich blickte er auf und fragte, wo die Medizin sei, die er Herrn Rechsteiner gegen den Nachtschweiß verordnet habe.
    Wie spitz waren die Schultern, die sich unter dem Nachthemd hoben! Dann drehte der Mann im Bett seinen Kopf ganz nach rechts – und weil die Augen nun im Schatten lagen, schienen sie dunkler, dunkel wie angefeuchtete Kleie…
    »I-wäß-es-nöd… Nei bym Strohl nöd!«
    »Was isch es gsy, Herr Doktr?« erkundigte sich Studer.
    Dr. Salvisberg setzte sich, schlug ein Bein übers andere, seine Linke schloß sich um den Fußknöchel, während der rechte Arm schlaff über die Lehne des Stuhles hing.
    »Eine Mischung«, sagte er leise. »Atropin und Hyoscin…«
    »Tollkirsche und Bilsenkraut«, murmelte Studer.
    Der Arzt blickte den Wachtmeister erstaunt an.
    »Potztuusig, Wachtmeister«, meinte er. »Ich hab' gar nicht gewußt, daß Sie sich so gut auf Gifte verstehen. Wo haben Sie das gelernt?«
    Studer saß da, ein wenig nach vorne geneigt, in seiner Lieblingsstellung, Unterarme auf den Schenkeln, Hände gefaltet. – Das tue nichts zur Sache, meinte er. Er wisse es, und beim Anblick der vergrößerten Pupillen des Toten seien ihm die Gifte eingefallen, von denen der Doktor soeben gesprochen habe.
    Dr. Salvisberg blickte mißtrauisch auf den Berner Fahnder und erinnerte sich, daß sich dieser Studer heute der Behörde gegenüber etwas reichlich sonderbar benommen hatte. Gewiß, der Verhörrichter hatte den Wachtmeister mit einigem Respekt,

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