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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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dunkel war. Sie waren noch nicht gespült worden. Studer ging in die Küche zurück, verlangte einen Bogen Zeitungspapier und verpackte die Gläser sorgfältig darin. Vorsichtig: denn er gab wohl acht, nur die Füße der Gläser zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen.
    Hernach stieg er langsam die Treppen hinauf, legte das Paket in seinem Koffer ab und begab sich nach dem Zimmer Nr. 7.
    Das Bett, auf dem der Tote lag, war ein richtiges Hotelbett, die Bettpfosten aus Messing und oben mit Kugeln gekrönt, in denen sich die Glühlampe spiegelte, die oben an der Decke festgeschraubt war. Albert stand vor dem offenen Koffer und hatte seinen Inhalt auf dem Tisch beim Fenster fein säuberlich ausgelegt. Studer, die Hände auf dem Rücken, musterte die Gegenstände. Nichts Interessantes: Viele Fläschli und Tuben; ein Giletteapparat, schwer versilbert, Pinsel, Rasiercreme. Nagelfeile, Schere. Was aber den Wachtmeister am meisten wunderte, war die Abwesenheit jeglichen beschriebenen Papiers: keine Akten, keine Briefe, nichts.
    Zu dieser Feststellung wollte eine andere gar nicht passen; auf dem Tisch lag eine Füllfeder, deren Deckel abgeschraubt war, und sie lag neben der Löschblattunterlage so, als habe der Schreiber sie nur für einen kurzen Moment abgelegt…
    Die Löschblattunterlage! Studer trug sie unter die Lampe und ließ das Licht voll darauffallen. Das oberste Blatt war neu und einige Schriftzüge ließen sich darauf erkennen. Schriftzüge von grüner Tinte. Vorsichtig nahm Studer die Füllfeder auf und kritzelte einige Buchstaben auf eine Seite seines Notizbuches. Die Füllfeder enthielt grüne Tinte – es war die gleiche Farbe wie die der abgelöschten Schriftzeichen auf der Schreibunterlage. Der Wachtmeister holte den Spiegel, der über der Waschkommode hing, legte die Schreibunterlage aufs Bett – weil es dort am hellsten war – und hielt den Spiegel senkrecht dahinter.
    Diese dicken Buchstaben, die noch dazu unterstrichen waren, mußten zu einer Adresse gehören. Ein ›a‹ ließ sich erkennen, dann eine Gruppe ›nhe‹ und zu demselben Worte gehörend ein ›m‹. Studer schrieb die lesbaren Buchstaben auf und ersetzte die Zwischenräume durch Punkte. Das ergab folgendes Bild.
    ›.a.nhe. m‹, wobei die Punkte die fehlenden Buchstaben darstellten.
    Und der Wachtmeister starrte weiter in den Spiegel. Über der Buchstabenfolge, die er notiert hatte und die wahrscheinlich den Namen einer Stadt bedeuteten, gab es eine andere, ganz schwach war sie, denn die grüne Tinte schien die Eigenschaft zu haben, rasch zu trocknen. Er entzifferte: ›..li..ipr. si. ent‹. Oben in der Ecke des Löschblattes über der Unterschrift (›J. Krock‹ sehr deutlich, umgeben von einem zügigen Schnörkel) zwei Worte: ›Check‹… ›Fälschung‹ und zwei Zahlenreihen: die eine begann mit einer 3 oder 5, das war nicht deutlich zu sehen, und war gefolgt von vier Nullen. Also 30000 oder 50000; die zweite war eine Jahreszahl: 1924, wobei es nicht sicher zu erkennen war, ob die letzte Zahl wirklich eine 4 war oder eine 7.
    Schlußfolgerung? Herr Joachim Krock hatte den Nachmittag dazu benutzt, einen Brief zu schreiben. Wo war der Brief? Auf der Post?
    Und plötzlich stellte Studer mit einem leichten Erschrecken fest, daß er den Spiegel schon lange nicht mehr hielt. Trotzdem stand der Spiegel aufrecht. Der Wachtmeister hatte ihn, ohne es zu merken, gegen die steifen Beine des Toten gelehnt…

 
    Auf dem Abhang, der hinter dem Hotel ›zum Hirschen‹ in die Höhe stieg, stand, mitten in der Wiese, eine mächtige Linde. Es war zehn Uhr vorbei und doch schien es, als fiele es dem Tage schwer, der Nacht zu weichen. Immer noch war die Luft durchsetzt von staubfreien Lichtteilchen, und eine Wolke überm Bodensee sah aus wie ein dicker Mann, der zur Feier der Sonnenwende eine dunkelrote Weste angezogen hat, die sich faltenlos über seinen Bauch spannt…
    Das Anni schwieg. Aber jetzt hob es die Hand zum Nacken – es war eine einfache Bewegung, aber sie riß den Wachtmeister zurück in eine ferne Vergangenheit. Eine kleine Schulstube, Buben auf der einen, Mädchen auf der anderen Seite. Und vorn in der ersten Bank beugt sich das Ibach Anni tief über ihre Schiefertafel und schreibt, schreibt. Plötzlich legt sie den Griffel weg, hebt die Hand zum Nacken… Das Anni war damals sieben Jahre alt gewesen und der Köbu acht. Er war nicht der Hellste gewesen in der Schule, lang nicht so gescheit wie das Anni. Und nun traf man sich

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