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Kuckuckskind

Kuckuckskind

Titel: Kuckuckskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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oder zu fix. Bedenke doch, dass wir die ganze Angelegenheit mit äußerster [310] Diskretion behandeln müssen. Es könnte den Jungen stigmatisieren, wenn es publik würde!«
    »Victor hat bestimmt nur Vorteile, wenn seine Herkunft klipp und klar feststeht«, ranze ich ihn an. »Warum machst du eigentlich ein solches Theater darum, dass du sein Vater bist!«
    Patrick wiehert auf einmal los. »Dunkel war deiner Rede Sinn, aber allmählich komme ich dahinter! Anja, ich bin bestimmt nicht Victors Papa, sondern wahrscheinlich sein Opa!«
    Ich starre ihn an wie ein Gespenst. »Manuel?«
    Er nickt: »Ich habe schon länger den Verdacht, aber ich traute mich nicht nachzubohren. Und sollte meine Vermutung aus der Luft gegriffen sein, würde ich Manuel mit Sicherheit verletzen. Vielleicht ist dein Vorschlag ganz schlau, klammheimlich einen Gentest machen zu lassen…«
    »…und dein frühreifes Söhnchen erst in die Zange zu nehmen, wenn wir Gewissheit haben«, ergänze ich.
    »…und er wieder zu Hause ist. Solche unerquicklichen Dinge kann man nicht am Telefon besprechen«, sagt Patrick, fast erleichtert über die bewilligte Schonzeit. »Aber sind heimliche Tests nicht strafbar?«
    Da kann ich ihn beruhigen, fast auswendig leiere ich herunter: »Eine Untersuchung von DNA - [311] Material eines Menschen ohne dessen Zustimmung verstößt zwar gegen das Recht auf Selbstbestimmung, ist aber nicht strafbar.«
    Dann überlegen wir gemeinsam, wie wir vorgehen wollen. Manuel war damals noch keine 15, eine Lehrerin müsste bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen mit einer Strafanzeige und sofortiger Entlassung rechnen. Wollen wir Birgits Ruf noch posthum ruinieren? Und wie soll Manuel weiterhin unsere Schule besuchen, wenn es sich herumsprechen würde? Man müsste ihn in ein Internat geben oder in die Staaten schicken.
    »Viel zu teuer für einen arbeitslosen Opa, eher verbannen wir Manuel auf einen Bauernhof, wo er Schweineställe ausmisten muss. Aber vielleicht stimmt unsere Theorie ja überhaupt nicht«, sagt Patrick hoffnungsvoll, denn er will sich vor den Konsequenzen des Großvaterseins noch ein wenig drücken.
    »Andererseits wird es keine Probleme geben, wenn du die Vormundschaft für dein Enkelkind übernimmst und wir Victor behalten dürfen«, sage ich.
    »Isa wird ausrasten, wenn sie hört, dass sie Oma geworden ist«, sagt Patrick ein wenig hämisch. Und mir wird endlich klar, an wen mich dieses Kind von Anfang an erinnert hat: Nicht nur der verstorbenen [312] Lenore sieht Victor sehr ähnlich, sondern vor allem auch seiner Großmutter.
    Gemeinsam suchen wir in Manuels Zimmer nach genetisch verwertbaren Zellen und finden eine Zahnbürste, ein Taschentuch, Kaugummi und einige Zigarettenkippen – alles in allem eine reiche Ausbeute. Per Internet bestelle ich die sterilen Wattestäbchen in Transporthüllen, um bei Victor einen Abstrich der Mundhöhle zu machen. Patrick ahnt nicht, dass ich sein Bärchen schon vor einiger Zeit für den gleichen Zweck bearbeitet habe. Da Manuel erst in zwei Wochen zurückerwartet wird, müsste das Ergebnis der Laboruntersuchung noch vorher eintreffen.
    »Beruhigt es dich, wenn wir auch eine Probe von mir mitschicken?«, fragt Patrick, aber ich vertraue ihm und halte es für überflüssig, noch einen weiteren teuren Test zu bezahlen.
    »Übrigens wollte dich dein Mann sprechen«, erzählt Patrick. »Wir haben sogar kurz miteinander geredet; er war sehr freundlich. Du kannst ihn heute Abend zu Hause erreichen.«
    Dabei fällt mir ein, dass ich unbedingt die sympathische Françoise Hurtienne in Frankreich anrufen sollte, denn ich hatte ihr fest versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten.
    Françoise ist erschüttert über Birgits und Steffens [313] Tod. »Sie war eine wunderbare Freundin«, sagt sie. »Aber mit den Männern hatte sie Pech. Seltsam, wenn man so hübsch ist! Sie hat immer nach dem Richtigen gesucht und ihn anscheinend nicht gefunden.«
    »Könntest du dir vorstellen, dass einer ihrer Schüler Victors Vater ist?«
    Sie überlegt und hält es sogar für wahrscheinlich. Das erkläre endlich, warum sich Birgit über das erwartete Baby nicht freuen konnte, sondern sogar eine Abtreibung plante.
    »Als Birgit davon sprach, dass sie den mutmaßlichen Kindsvater auf keinen Fall mit ihrer Schwangerschaft konfrontieren wollte, dachte ich natürlich an einen Priester oder einen verheirateten Mann, unter Umständen sogar an eine hochgestellte Persönlichkeit. Mir schwebte ein

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