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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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normaler Arbeitstag, ab heute wird alles ein bisschen anders, alles ein bisschen komplizierter sein. Abgesehen davon, hat vor sieben Minuten mein Herz angefangen zu sprechen, ich habe also definitiv das Recht auf noch ein wenig Ruhe und gehe lieber wieder ins Bett, vorsichtig lauschend, um nichts von dem zu verpassen, was als Nächstes kommt.
    Als Nächstes kommt – eine Beleidigung:
    â€“Ich beobachte dich seit einer ganzen Weile, Mädchen. Das mit den Brüsten ist schade. Aber weißt du, was noch viel schlimmer ist? Ich langweile mich. Du langweilst mich. Bis auf die paar heimlichen SMS mit Max ist bei dir seit Jahren nichts Aufregendes mehr passiert.
    Das Herz ist gut informiert, was habe ich erwartet? Max und ich hatten angefangen, uns Nachrichten zu schreiben, erst durch irgendeinen Zufall, ganz ungeplant, er war nur ein Ex von vielen. Dann machten wir weiter, irgendwie hörte keiner von uns auf, auf jede SMS folgte eine Antwort, und plötzlich wurden diese Antworten immer anzüglicher. Da weder Max noch ich unseren Partnern diese SMS gerne vorgelesen hätten, kann man wohl davon sprechen, dass es ein Geheimnis war. Vielleicht war es auch ein ganz kleines bisschen mehr – ich bin mir nicht sicher, in welche Kategorie SMS-Sex fällt –, aber am Ende war es doch nur ein Telefon, das ich in meinen nassen Händen hielt. Es war die leichteste Form von Betrug, manchmal war es viel, manchmal war es nichts. Auf keinen Fall war es etwas, für das Jonathan mich ernsthaft würde verlassen können.
    Ich bin seit drei Jahren mit dem gleichen Mann zusammen. Das grenzt für mich an ein Wunder. Einer der Gründe für dieses Wunder ist wohl Jonathans Gespür für perfekt abgepasste Zeitpunkte. Fast exakt acht Monate nachdem wir uns kennengelernt hatten, sagte er das erste Mal, dass er mich liebt. Man darf das Timing solcher Sätze nicht unterschätzen, sechs Wochen vorher hätte ich ihm vielleicht noch nicht geglaubt, zwei Monate später hätte ich ihm sein Zögern vielleicht übel genommen. Aber Jonathan sagte seinen Satz zu genau der richtigen Zeit und in genau der richtigen Tonlage. Er sagte ihn leise und ohne Pathos, während ich gerade einen Einkaufszettel schrieb und ihn fragte, ob ich ihm etwas vom Drogeriemarkt mitbringen solle. Fast hätte ich es überhört, so nebensächlich ließ er seinen Satz neben mir fallen, aber meine Ohren fingen ihn gerade so noch auf, und ich lächelte in mich hinein und schrieb sehr langsam und mit größter Sorgfalt das Wort »Nagellackentferner« auf meinen Zettel.
    Ein halbes Jahr später stellte er mich seinen Eltern vor, und auch hier bewies er ein gutes Timing, indem er verdammte zwei Stunden lang meine Hand unter dem elterlichen Biedermeiertisch hielt und sie erst dann wieder losließ, als seine Mutter begann, von ihrer Hochzeit zu erzählen.
    Ja, man kann sagen, dass Jonathan ein gutes Gefühl für das richtige Tempo hatte. Ich fühlte mich weder überfahren noch gelangweilt, und ganz langsam fingen wir an, den gleichen Rhythmus anzunehmen. Zwei Jahre lang tanzten wir so vor uns hin, und alles war irgendwie gut und okay – bis Jonathan fand, man könne doch jetzt mal zusammenziehen, und das war der Moment, in dem der Beziehungsbeat ins Stocken kam.
    Ich wollte nicht mitziehen. Ich wollte nicht zusammenziehen. Ich wollte die Zeit anhalten. Und irgendwie habe ich das sogar geschafft.
    Seit einem Jahr ist es im besten Fall gemütlich, im schlechtesten Fall langweilig. Früher wäre genau das der Zeitpunkt gewesen, an dem ich abgesprungen wäre. Ich wäre mit ihm an einem Sonntagnachmittag in ein unverfängliches Café gegangen, nach einer Samstagnacht, die ich längst mit einem anderen verbracht hätte. Ich hätte ihm ernst in die Augen geschaut und gesagt: »Danke, das war nett, aber ich muss jetzt weiter. Irgendwann ist es immer vorbei, das verstehst du sicher, wir wollen ja schließlich noch was erleben, wir beide. Ich würd gern jetzt und hier Schluss machen, dann tut es nicht unnötig lange weh, wir sind doch Profis. Tschüs, und viel Spaß mit der Neuen, sie kommt sicher bald.«
    Ich wäre aufgestanden, das wäre der härteste Teil der Geschichte gewesen, und dann hätte ich mich langsam von ihm entfernt, weg vom Tisch, raus aus dem Café, durch die Straßen bis in ein Zuhause, das ich wohl wissend nicht mit ihm teilte.

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