Künstlerpech: Palzkis achter Fall
eingeführt worden. Seitdem war das Globa-Bier in aller Munde. Als Spezialität der Brauerei galt ein Lagerbier, das in einem vierfachen Gärverfahren hergestellt und als vierlagiges Globa-Bier im Markt eingeführt wurde.
Was sollte ich tun? Offiziell ermitteln? Das war mir im Moment ohne Rücksprache mit meinem Vorgesetzten und den Kollegen zu heiß. Ich rief meinen Freund Ferdinand Jäger an, der in einer Mannheimer Brauerei der Leiter der Abteilung Betriebsbesichtigung war. Er versprach mir, sich sofort mit seinem Globa-Kollegen in Verbindung zu setzen und ihm eine mit mir abgesprochene Geschichte aufzutischen, damit ich mir mehr oder weniger inkognito die Globa-Brauerei ansehen konnte.
So kam es, dass ich bereits eine halbe Stunde später Richtung Süden fuhr. Die Globa-Brauerei befand sich auf dem Gelände des ehemaligen Speyerer Flugplatzes. Der große Mannheimer Flugplatzbruder hatte die beinahe zahlungsunfähige linksrheinische Flugplatzgesellschaft in Speyer übernommen und wenig später in Heuschreckenmanier plattgemacht. Die Verwertung des Geländes brachte der Mannheimer Gesellschaft mehr ein als der damalige Kaufpreis. Und einen Konkurrenten war man ebenfalls los. So funktionierte die Zusammenarbeit in der Metropolregion. Ein ehemaliger Vorstandschef eines Versicherungskonzerns hatte sofort zugeschlagen und seine gesammelten Jahresprovisionen in den Kauf des Grundstücks und den Bau der Brauerei investiert.
»Guten Tag, Herr Palzki«, begrüßte mich Herr Herr an der Pforte der Brauerei Globa. »Mein Nachname ist Herr. Bitte ersparen Sie mir, Ihnen meinen Vornamen zu nennen. Meine Eltern waren Witzbolde.«
Ich wusste längst von meinem Freund Ferdinand, dass Herr Herr mit Vornamen Hermann hieß. Herr Hermann Herr, das klang wirklich kurios. Aber es ging noch besser: Einmal hatten wir als Zeugin eine Rosa Schlüpfer zu befragen.
Mit seiner Elvistolle und den langen Koteletten grinste mich Herr an. »Sie sind also die Vorhut der Schifferstadter Kriminalinspektion?«
»Das ist noch nicht sicher«, erwiderte ich. »Ich muss nämlich erst meinen Chef überzeugen.«
Vor wenigen Monaten hatten wir einen neuen Dienststellenleiter bekommen. Klaus Pierre Diefenbach, der wegen seiner Initialen nur KPD genannt wurde, hatte man wegen mehrerer Verfehlungen vom Polizeipräsidium Ludwigshafen nach Schifferstadt aufs Land strafversetzt. Das allein wäre noch nicht so schlimm gewesen, doch stellte sich bald heraus, dass KPD Wert auf gepflegte Etikette legte und ein absoluter Gourmet war. Tanzten wir bei unseren früheren Betriebsfeiern nachts biertrinkend auf den Bierzelttischen zu ›Highway to hell‹, so waren es jetzt eher gediegene Veranstaltungen mit Krawatten- und Weinzwang. Beides ließ mich und viele Kollegen bisweilen an Fahnenflucht denken. Trotzdem würde ich demnächst einen Anlauf machen und versuchen, KPD zu einer Brauereibesichtigung zu überreden. Vielleicht konnte mich Herr Herr als kleinen Nebeneffekt meiner geheimen Ermittlungen mit guten Argumenten versorgen. Die vor ein paar Monaten unter KPDs Leitung stattgefundene Weinprobe hatte jedenfalls in einer Katastrophe geendet. Und das lag nicht nur an dem Kasten Bier, den die Kollegen in den Weinkeller eingeschmuggelt hatten.
»Dann kommen Sie mal mit«, begann Herr Herr mit der Führung. »Normalerweise führe ich nur größere Gruppen durch den Betrieb. Aber wenn wir wie in Ihrem Fall die Chance haben, eine ganze Polizeidienststelle zu Besuch zu bekommen, strenge ich mich natürlich besonders an. Fangen wir im Sudhaus an.«
Er führte mich in ein helles, mit riesengroßen Panoramascheiben ausgestattetes Gebäude, das hauptsächlich aus einem Saal bestand. In seinem Inneren befanden sich fünf oder sechs gewaltige Kessel, die teilweise im Boden eingelassen waren. Herr Herr warf mit Begriffen wie Mälzen, Maischen, Läuterbottich um sich, auf die ich mich heute nicht konzentrieren konnte. An einer Seitenwand befand sich eine mehrere Meter lange Schalttafel, an der ein schmächtiges Kerlchen stand. Es legte einen Schalter um und kam anschließend zu uns. Es nickte meinem Führer zu und gab mir seine sehnige Hand.
»Mein Name ist Port, ich bin der Braumeister. Herr Herr hat Sie angekündigt.«
Ein Braumeister, der an Untergewicht zu leiden schien, hatte für mich etwas Groteskes. Es kam mir so vor, als bestünde Port nur aus Knochen mit Hautüberzug. Vielleicht war er krank, aber ich wollte ihn keinesfalls darauf ansprechen.
Wir smalltalkten
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