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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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wollte.
    »Findest du, dass ich ein gestörtes Verhältnis zu Typen habe?«, überfiel ich Tinka eine halbe Minute später am Telefon - jetzt wollte ich es genau wissen! Die holte erst einmal hörbar Luft. »Nun ja… sagen wir mal so: Du bist auf alle Fälle nicht so aufgeschlossen wie Lula«, antwortete sie nach einer Weile.
    »Los, komm schon, ich will, dass du ehrlich bist!«
    »Also gut! Ich finde, du hast unheimlich hohe Ansprüche und lässt den meisten gar keine Chance, dich näher kennenzulernen. Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass dein Vater euch verlassen hat und deine Mutter sich die ganze Zeit so einigelt, anstatt sich neu zu verlieben, oder ob dich das alles vielleicht einfach nicht so sehr interessiert wie andere. Ist doch aber auch überhaupt nicht schlimm! Schau mich an: Die einzigen Männer, die in meinem Leben eine Rolle spielen, sind Max, mein Vater und Guido, und das, obwohl ich später einmal viele Kinder haben möchte. Dabei fällt mir gerade ein… Hast du Lust, morgen Abend mit mir die Jungs in der Zwergen-WG zu besuchen? Mein Cousin will mal wieder ein neues Gericht ausprobieren und braucht Testesser.«
    »Klar, ich bin dabei«, antwortete ich und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Nachdem ich aufgelegt hatte, dachte ich noch eine ganze Weile über Tinkas Worte nach. Eins war klar: Ich wollte auf keinen Fall so werden wie meine Mutter und später nur für meinen Beruf da sein. Ich wollte leben und Spaß haben.

3.
    Montag, 20. März
    Treffen der Redakteure der Schülerzeitung
Heute 15.30 Uhr
Bitte seid pünktlich, es gibt etwas zu besprechen!
Raffaela
Chefredaktion H-Mag
    »Hast du eine Ahnung, was das zu bedeuten hat?«, fragte ich Jenny, als wir in der großen Pause am Schwarzen Brett vorbeikamen und die Mitteilung lasen. »Nö, keinen Schimmer«, antwortete sie und biss ungerührt in ihr Käsebrötchen. Zum geschriebenen Wort hatte Jenny ein ähnliches Verhältnis wie ich zu Hockeyschlägern: nämlich gar keins. Während ich in Deutsch, Kunst und Philosophie glänzte, räumte Jenny in Naturwissenschaften und Sport ab. Lula hangelte sich irgendwo im unteren Notendrittel durch und hatte lediglich Talent für Musik. Und Tinka? Tja, die ging leider nicht mehr in unsere Klasse, sondern machte seit letztem Herbst eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau in einem Büromarkt.
    Punkt halb vier betrat ich den Redaktionsraum unserer Schülerzeitung H-Mag, für die ich regelmäßig Filmkritiken schrieb. Raffaela hatte für alle Naschgummis und Bionade besorgt, demnach würde die Sitzung länger dauern. »Also, was gibt’s?«, fragte Tom, der Mann für Musik und Club-News, und wir warteten alle gespannt darauf, was unsere Chefredakteurin zu verkünden hatte. Raffi schüttelte ihre rabenschwarze Lockenmähne, trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Tisch herum und wirkte ziemlich unentspannt. »Wie ihr wisst, kümmere ich mich jetzt seit drei Jahren um das H-Mag und habe mich gerade im letzten Jahr besonders dafür eingesetzt, dass wir an nationalen Wettbewerben teilnehmen, und bei Twitter, Facebook und Google plus präsent sind.« Beifälliges Gemurmel erfüllte den Raum. »Mittlerweile frisst diese Arbeit die gesamte Zeit auf, die ich eigentlich für’s Abi brauche. Aber zum Glück habe ich jetzt eine Lösung für dieses Problem gefunden. Ich gebe meinen Posten an Marc Jensen ab, er wird ab sofort euer neuer Chefredakteur sein.«
    Fünf Augenpaare richteten sich auf den gut aussehenden Marc, der für Politik und News zuständig war und sich bislang eher im Hintergrund gehalten hatte.
    Warum hatte Raffaela ausgerechnet ihn zu ihrem Nachfolger bestimmt, anstatt eine demokratische Wahl durchzuführen?
    Marc lächelte und ging nach vorne: »Danke, Raffi! Ich freue mich, ab jetzt mit euch zusammenzuarbeiten, und möchte auch genau den Kurs weiterverfolgen, für den wir stehen: ein bunter Mix aus verschiedenen Themen, die uns alle interessieren.« Zustimmendes Gemurmel, aber so richtig schien sich hier keiner zu freuen. Tom runzelte die Stirn und schaute in meine Richtung. Seine Lippen formten ein lautloses »Können wir gleich sprechen?«. Ich nickte.
    Kaum war die Sitzung beendet, trafen wir uns in der Cafeteria und zogen erst mal beide eine Cola aus dem Automaten. Dann setzten wir uns an einen der blassgrauen, mit schwarzem Edding bekritzelten Plastiktische, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatten. »Hast du eine Ahnung, weshalb Raffi ausgerechnet ihn ausgesucht hat?«, fragte

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