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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Natürlich achtete Theodora auch sehr darauf, keine Chemikalien zu verwenden.
    Am Ende des Grundstücks bildeten Haselnusssträucher und ein schmales Bächlein mit einem Steg eine natürliche Grenze zum Waldgebiet, das ebenfalls seit Generationen unserer Familie gehörte. Mein Zauberwald.
    »Ich sehe dich noch vor mir, wie du als kleines Mädchen an dieser Stelle standst, mit riesengroßen Augen auf die Bäume gestarrt hast und Angst hattest weiterzugehen«, sagte Oma lächelnd. »Du hast dich vorsichtig an die Büsche herangepirscht, die nackten Patschefüßchen im Gras, und hast ein Gesicht gemacht, als käme jeden Moment der böse Wolf um die Ecke, um dich zu fressen. Nur wenn dein Vater dich an die Hand genommen hat, hast du dich getraut weiterzugehen.« Das war der perfekte Zeitpunkt, um Theodora zu fragen, ob wir Maki-Girls hier campen durften, sobald es warm genug dafür war.
    »Was für eine schöne Idee, dann kommt hier mal wieder ein bisschen Leben in die Bude«, freute sie sich und begann sofort zu überlegen, was es zu essen geben könnte: »Gegrillte Gemüsespieße wären sicher toll«, schwärmte sie voller Vorfreude und führte mich zu ihrem Lieblingsplatz im Garten. Der Naturteich war knappe 25 qm groß und etwa einen Meter tief. Seinen Rand umsäumten Uferstauden wie Sumpfgarbe, Gauklerblume, Mädesüß und Trollblume, deren Namen nicht nur magische Bilder in meinem Kopf erzeugten, sondern später im Jahr auch leuchtend bunt blühen würden. Am Rand stand eine steinerne Feenstatue, die beinahe so groß war wie ich. Über das Wasser spannte sich eine Holzbrücke, auf der im Sommer zwei Liegestühle und ein kleiner Tisch standen. Ich konnte es kaum erwarten, wieder hier zu sitzen und dem Gesang der Vögel zu lauschen, die Theodora zu Ehren ihre schönsten Pfeifkonzerte gaben und mit den Fröschen um die Wette musizierten.
    »Wie geht es eigentlich Verena?«, unterbrach Oma meine Träumereien. »Man sieht und hört ja kaum noch was von ihr. Hat sie denn wirklich so viel Stress an der Uni?«
    Ich zuckte mit den Schultern und überlegte, was ich antworten sollte. Es war mitunter nicht ganz einfach, meine Mutter zu verstehen. »Und wie sieht es bei ihr an der… wie sagt ihr immer so schön… Beziehungsfront aus? Sie hatte doch mal überlegt, es bei dieser Elite-Partnervermittlung im Internet zu versuchen.« Oma fixierte mich mit ihren Wahnsinnsaugen, um die sich zarte Kränze von Lachfältchen gebildet hatten, die ich wunderschön fand. Wenn ich alt war, wollte ich auch so aussehen! »Von dieser Idee ist sie wieder abgekommen, weil sie Angst hat, in einem dieser Foren über Leute von der Uni zu stolpern«, erklärte ich. »Verstehe«, entgegnete Theodora und rupfte ein paar vertrocknete Blätter von der Uferböschung, die der Winter übrig gelassen hatte. »Dann will sie offenbar wirklich lieber alleine bleiben.«
    Als ich am späten Sonntagnachmittag zu Hause ankam, fiel es mir schwer, mich wieder auf die Nüchternheit einzustellen, die dort dominierte. Meine Mutter saß wie immer am Schreibtisch, korrigierte Hausarbeiten und fluchte leise vor sich hin, während Martini zusammengerollt im Korbstuhl neben ihr schlief. »Diese Studenten haben noch nicht einmal Ahnung von Rechtschreibung, wo soll das denn bitte schön hinführen?«, fragte sie mehr sich selbst als mich, die im Türrahmen lehnte und das Zimmer betrachtete. Für meinen Geschmack war es eindeutig zu nüchtern und praktisch eingerichtet. Unfassbar, dass Verena sich hier wohlfühlte.
    »Hast du Lust, heute Abend ins Kino zu gehen oder dir mit mir eine DVD anzuschauen?«, fragte ich, unschlüssig, wie ich den Rest des Tages verbringen wollte, bevor am Montag wieder die Schule begann. Verena sah mich müde an und ich hätte fast wortwörtlich mitsprechen können, was jetzt kam: »An sich gern, mein Liebling, aber ich habe noch so viel zu tun. Vielleicht ein andermal, ja?« Seufzend trollte ich mich davon und überlegte, ob ich Tinka anrufen sollte, um mit ihr und Max spazieren zu gehen, oder ob ich mich besser um meinen Blog PippasMovieworld kümmerte, den ich seit fast einem Jahr mit großer Leidenschaft betrieb. Ich entschied mich schließlich für das Internet und schaute mir auf You-Tube den Kino-Trailer für Red Riding Hood an. Dabei dachte ich einen Moment lang an Manuel aus der S-Bahn. Keine Ahnung, warum ich ihm gegenüber so zickig gewesen war. Eigentlich hatte er mich doch nur ganz nett gefragt, ob ich mit ihm ins Kino gehen

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