Küss mich Engel
kannst tun, was du willst, mit dem verdammten Tiger, aber ich geh nicht vor dir auf die Knie, weder vor dir noch vor sonstwem.«
»Das überrascht mich. Ich hab wohl gedacht, du würdest alles für das kleine Dummköpfchen machen. Ich hätte wissen sollen, dass du sie nicht wirklich liebst.« Einen Moment lang blickte sie hinauf in die Aufbauten über ihr, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. »Das hab ich mir schon die ganze Zeit gedacht, und ich denke, ich hätte wohl auf mein Gefühl hören sollen. Wie könntest du sie auch lieben? Du bist zu verdammt kaltherzig, um überhaupt irgend jemanden zu lieben.«
»Du weißt überhaupt nichts über meine Gefühle für Daisy.«
»Ich weiß, dass du nicht genug für sie übrig hast, um auf die Knie zu gehen und für sie zu bitten.« Sie bedachte ihn mit einem hinterhältigen Blick. »Also hab ich wohl gewonnen. Nun, ich gewinne wohl in jedem Fall.«
»Du bist verrückt.«
»Und du schlau genug, es nicht zu tun. Ich bin einmal für die Liebe auf die Knie gefallen, und ich würd‘s keinem empfehlen.«
»Lieber Gott, Sheba. Tu das nicht.«
Ihre Stimme klang auf einmal ganz nüchtern. »Das muss ich aber. Niemand erniedrigt Sheba Quest und kommt ungeschoren davon. Und egal, wie du dich heute entscheidest, du bist am Ende der Verlierer. Bist du sicher, dass du‘s dir nicht noch mal überlegen willst?«
»Ich bin sicher.«
In diesem Moment wusste Daisy, dass sie Sinjun verloren hatte. Alex war nicht wie andere Männer. Er war stahlhart, mutig und voller Stolz. Sich auf diese Weise zu erniedrigen würde einen Mann wie ihn kaputtmachen. Sie ließ den Kopf sinken und wandte sich ab, doch Brady vertrat ihr den Weg.
Alex sprach mit harter, erstickter Stimme. »Weißt du, was die Ironie an der Sache ist? Daisy würd‘s tun. Sie würde nicht eine Sekunde lang zögern.« Er stieß ein hartes, bellendes Lachen aus, das völlig ohne Humor war. »Sie würde, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Knie gehen, weil sie ein Herz hat, das stark und groß genug ist, um es mit der ganzen Welt aufzunehmen. Sie schert sich nicht um Stolz oder Ehre oder sonstwas, wenn das Wohlergehen eines geliebten Wesens auf dem Spiel steht.«
»Na und?« höhnte Sheba. »Hier geht es nicht um Daisy. Es geht um dich. Was ist dir nun wichtiger, Alex? Dein Stolz oder der Tiger? Setzt du nun alles für die Liebe aufs Spiel, oder klammerst du dich weiter an die Dinge, die du für so wichtig hältst?«
Eine lange Stille folgte. Daisy liefen die Tränen über die Wangen, und sie wusste, dass sie hier wegmusste. Sie versuchte sich von Brady loszumachen, hielt jedoch inne, als sie sein empörtes Stottern hörte.
»Der verdammte Hundesohn.«
Sie wirbelte herum und sah Alex mit hochaufgerichtetem Kopf vor Sheba stehen. Aber seine Knie begannen sich zu beugen. Diese mächtigen Romanov-Knie. Diese stolzen Markov-Knie. Langsam, ganz langsam sank er in die Sägespäne, hatte jedoch gleichzeitig nie arroganter, nie unbeugsamer ausgesehen.
»Sag bitte«, flüsterte Sheba.
»Nein!« Daisy war das Wort förmlich aus der Brust gerissen worden. Sie würde nicht zulassen, dass Sheba ihm das antat, nicht einmal für Sinjun! Was nützte es, einen herrlichen Tiger zu retten, wenn sie dafür den anderen zerstörte? Sie rannte durch den Hintereingang in die Arena, dass das Sägemehl nur so flog. Bei Alex angelangt, packte sie ihn beim Arm und versuchte ihn auf die Beine zu zerren.
»Steh auf, Alex! Tu das nicht! Lass dir das nicht von ihr antun !«
Er wandte die Augen keine Sekunde von Sheba Quest ab.
Sie brannten. »Es ist so, wie du mal gesagt hast, Daisy. Niemand kann mich erniedrigen. Das kann ich nur selbst.«
Er wandte das Gesicht zu Sheba auf, und sein Mund presste sich verächtlich zusammen. Obwohl er auf den Knien lag, hatte er nie herrlicher ausgesehen. Er war jeder Zoll ein Zar. Der König der Manege. »Ich bitte dich, Sheba«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Verschone den Tiger.«
Daisys Hand krampfte sich um seinen Arm, und sie sank neben ihm auf die Knie.
Brady stieß einen scharfen Laut aus.
Und Sheba Quests Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Der Ausdruck, der nun über ihr Gesicht kam, war eine eigenartige Mischung aus Erstaunen und Befriedigung. »Teufel noch mal. Du liebst sie also wirklich.«
Sie blickte Daisy an, die neben ihm im Sägemehl kniete. »Falls du‘s immer noch nicht geschnallt hast, er liebt dich. Morgen früh hast du deinen Tiger wieder, und du
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