Kuess mich, lieb mich - heirate mich
die Gewalt über den Wagen verlieren.
Doch das tat sie nicht. Alles ging gut.
„Gratuliere”, sagte Luke ruhig.
„Danke.” Carey war sich allerdings nicht sicher, ob er sie zu ihren Fahrkünsten beglückwünschte oder zu ihrer bevorstehenden Hochzeit. Aber das war auc h nicht so wichtig.
Er schwieg eine Zeit lang. „Darf ich Sie fragen, was Sie hier draußen zu tun haben, wenn Sie heute doch eigentlich heiraten sollen? Laufen Sie Ihrem armem Bräutigam davon?”
Sein Ton war freundlich, aber irgendwie klang dennoch eine gewisse Bitterkeit heraus.
Dieser Mann hatte offenbar keine allzu hohe Meinung von Frauen.
„Ehrlich gesagt, es ist eher anders herum.” Carey hielt den Blick starr auf die Straße gerichtet. Zum Glück war es bis zur Ranch nicht mehr weit. „Bis jetzt ist der Bräutigam noch nicht aufgetaucht. Ich war auf der Suche nach ihm … und habe Sie gefunden.”
Sie spürte seinen Blick und wandte den Kopf. Luke sah nicht gerade schuldbewusst aus, aber doch ein wenig wohlgesonne ner, vielleicht.
„Wahrscheinlich steckt er irgend wo fest, wegen des Regens”, meinte er.
„Wahrscheinlich.” Ihr Mitfahrer hatte natürlich keine Vorstellung davon, was diese kleine Verspätung für sie bedeutete. In jedem anderen Fall würde ein verspäteter Bräutigam nur den Tagesablauf ein wenig durcheinander bringen. Es wäre unangenehm, aber weiter nichts. In ihrem Fall jedoch war es eine ausgesprochene Katastrophe.
Doch das brauchte sie Luke Redstone, diesem Cowboy, nicht zu erklären. Sie wollte es nicht einmal versuchen. Alles an ihm, von dem abgetragenen, breitkrempigen Stetson bis zu den abgestoßenen Stiefelspitzen, deutete darauf hin, dass er ein praktisch denkender, aufrichtiger Mann war, der ihren Plan, eine Scheinehe einzugehen, weder verstehen noch gutheißen würde.
Verstohlen blickte sie noch einmal zu ihm hinüber. Nein, er würde es bestimmt nicht verstehen. Und insgeheim war sie selbst ja auch nicht gerade stolz auf ihren Plan. Was sie vorhatte war zwar nicht illegal, wie ihr der Nachlassverwalter versichert hatte, aber sie untergrub damit doch in gewisser Weise und absichtlich den letzten Willen ihres Vaters.
Schweigend fuhren sie weiter. Warum machte sie sich überhaupt Gedanken darüber, was Luke Redstone von ihr denken mochte? Ärgerlich verscheuchte sie diese Gedanken. Sie würde die beiden auf der Ranch absetzen, damit sie sich aufwärmen konnten. Danach würden sie einen Abschleppwagen rufen, und dann würde sie sie nie wieder sehen.
2. KAPITEL
„So, da sind wir”, verkündete Carey, als sie in die Auffahrt zur Ranch einbog.
„Sie wohnen hier?” fragte Luke.
„Mein Vater lebte hier. Ich bin hier aufgewachsen, aber gleich nach der Highschool nach Kalifornien umgezogen. Seit dem war ich kaum hier.”
Sie sah Luke an. Ein Mann wie er, zurückhaltend und verschlossen, würde ihr bestimmt nie neugierige, aufdringliche Fragen stellen. Deshalb konnte er ruhig wissen, wer sie war.
„Wo ist Ihr Vater?”
Irrte sie sich, oder klang aus seinem Ton Skepsis heraus, darüber, ob eine Frau, besonders eine, die bei Sturm und Regen als „Märchenfee verkleidet” durch die Gegend fuhr, es schaffen könnte, solch eine Ranch allein zu führen?
„Tot”, erwiderte Carey, ohne den Kopf zu wenden.
„Tut mir Leid für Sie”, sagte Luke höflich.
Carey nickte. „Danke.” Der Tod ihres Vaters lag schon über ein halbes Jahr zurück, doch es fiel ihr immer noch schwer, darüber zu reden.
Die letzten Monate hatte Carey sich ebenso mit Gefühlen des Bedauerns wie des Zorns gequält. Sie und ihr Vater hatten ihren Streit nie wirklich beigelegt, einander nie wirklich vergeben. Jonah Winslow, ein Mann von stoischer Gelassenheit und mit Leib und Seele Rancher, hatte nicht ein einziges Mal zu erkennen gegeben, wie schlecht es um seine Gesundheit bestellt war. Sein Herz hatte auf einmal rasch an Kraft verloren, wie ein alter, ausgebrannter Motor.
Herzschwäche, so hatte der Arzt es genannt, als Carey schließlich zur Ranch gekommen war. Medikamente hätten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel genutzt und sein Leiden nur unnötig verlängert. Nichts hätte ihrem Vater helfen können, außer einer Herztransplantation, aber dafür war er schon zu alt und sein Körper viel zu sehr geschwächt gewesen.
Eigentlich hatte Carey erst im Sommer kommen wollen, doch ein Anruf von Ophelia hatte ihr die Augen geöffnet.
Und dann hatte sie den Mann, der ihr einst so Furcht einflößend und unbesiegbar
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