Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
Menschen blende! Dahinter bin ich verdorben und für jeden, der mit mir in Berührung kommt, schädlich wie Gift!“
„Unsinn!“, fuhr sie ihm über den Mund. „Das ist lächerlich. Natürlich reiße ich mich nicht um ein peinliches Telefonat mit meinem Boss, aber das ist auch schon alles. Die blöden Bilder stammen aus meiner frühen Jugend, und einen Mann auf einer Party zu küssen, ist schließlich kein Verbrechen. Außerdem habe ich nie behauptet, so etwas nicht zu tun. Was soll’s also?“
Noch während sie mit Lucas sprach, spürte Grace, dass sich in ihrem tiefsten Innern eine Wandlung vollzog. Es war, als würde ihr ein dunkler Umhang entrissen, hinter dem sie sich so lange sie denken konnte verborgen gehalten hatte. Sie fühlte sich durchströmt von hellem Licht und klarer Luft, sodass sie unwillkürlich tief durchatmete. Es war vorbei. Sie würde sich nie wieder verstecken müssen. Nicht vor Menschen und nicht vor dem Leben.
Warum hatten die Ängste ihrer Mutter und Travis’ Lügen nur so lange Macht über sie gehabt? Die Antwort war so verblüffend wie einfach: In Lucas Wolfes Nähe zu sein und einen Blick hinter seine Maske zu werfen, hatte es ihr unmöglich gemacht, die eigene aufzubehalten.
Plötzlich drängte es Grace, auch das letzte große Geheimnis vor sich selbst und vor Lucas zu bekennen. „Ich glaube, ich könnte mich in dich verlieben“, sagte sie schlicht.
Darauf erstarrte er und wich fast vor ihr zurück. „Das meinst du nicht so.“ Lag da etwa ein Anflug von Panik in seiner Stimme? „Du bist viel zu intelligent für so einen Unsinn.“
„Glaubst du wirklich? Und wenn es schon zu spät für eine Warnung ist? Ich sage es ja auch nicht, weil ich irgendetwas von dir erwarte“, erklärte sie ihm ruhig, „sondern weil ich den Verdacht hege, dass du immer noch dem Irrtum anhängst, dass dich niemand lieben könnte. Und wenn du tatsächlich glaubst, es nicht zu verdienen, nur weil du ungewollt zur Welt gekommen bist, ist das der größte Irrtum aller Zeiten, Lucas Wolfe.“
Mit hartem Griff umfasste er ihre Schultern und schüttelte sie, allerdings sehr sanft. „Verdammt, Grace … ich habe dir mehr über meine Vergangenheit erzählt als jeder lebenden Seele! Bei dem, was du über mich weißt, müsstest du so schnell wie möglich vor mir davonlaufen.“
„Ich habe nicht die leiseste Absicht davonzulaufen“, erklärte sie mit fester Stimme, „egal wovor oder vor wem.“
„Dann werde ich die Initiative übernehmen“, entgegnete er, ließ sie aber nicht los.
Grace spürte seinen Schmerz und die heißen Tränen, die unter ihren Lidern brannten.
„Um mich vor mir selbst zu schützen?“, fragte sie rau. „Ist es das, was der üble Kerl tun würde, der du behauptest zu sein, Lucas? Oder bist du gerade nur ein bisschen nobler, als du dir es sonst erlaubst, dich in der Öffentlichkeit zu zeigen?“
„Du hast keine Ahnung, wie ich wirklich sein kann, Grace. Es ist sein böses Blut, das in meinen Adern fließt.“
„Dein Vater ist tot und begraben.“
Verblüfft schaute Lucas in ein warmes braunes Augenpaar. Wahrlich ein nüchternes Statement – und die Wahrheit, gelassen ausgesprochen.
„Und selbst wenn er es nicht wäre, kann dich niemand zwingen, so zu sein wie er. Du bist ein guter Mensch, Lucas. Ein Mann, der es wert ist, geliebt zu werden.“ Auf einmal hatte Grace ihre Stimme nicht mehr unter Kontrolle.
In Lucas’ Gesicht stritt Selbstverachtung mit Zweifel. Sein Körper bebte vor unterdrückten Emotionen und aufkeimender Hoffnung.
Grace kannte sie nur zu gut, die Lügen und die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, mit denen auch ihr das Leben lange Jahre zur Hölle gemacht worden war. Nichts wünschte sie sich mehr, als die Dunkelheit, die Angst und alles Hässliche mit einem Handstreich aus ihrer beider Leben wegwischen zu können. Sie wollte diesen wundervollen, zutiefst verletzten Mann wärmen und trösten.
Doch sie wusste, er würde es nicht zulassen.
Allerdings hatte sie noch einen letzten Pfeil im Köcher. Um ihn abzuschießen, nahm sie allen Mut zusammen. „Ich will ganz aufrichtig zu dir sein, Lucas Wolfe. Ich liebe dich.“ Kurz lauschte sie dem Klang ihrer Worte nach und lachte leise. „Ja, das tue ich tatsächlich!“, bekräftigte sie die Ungeheuerlichkeit noch einmal.
„Dann bist du eine Närrin!“, erwiderte er brutal, stieß Grace von sich und war in der nächsten Sekunde verschwunden.
11. KAPITEL
Lucas musterte den hochgewachsenen
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