Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
Mann, der in einiger Entfernung von dem riesigen Partyzelt entfernt stand, das den Großteil des Rasenplatzes vor dem Haupthaus einnahm. Reglos verharrte er am Seeufer und kehrte dem ganzen Trubel den Rücken zu.
Wie magisch angezogen, schlenderte Lucas in die gleiche Richtung. Ziellos war er heute Stunde um Stunde auf dem Grundstück herumgewandert, wie ein Geist, der keine Ruhe fand. So viel hatte sich hier im Vergleich zu früher gar nicht verändert, und doch erschien es ihm völlig anders und weniger Angst einflößend als in seinen Kindheitserinnerungen.
Trotzdem hätte er es besser wissen müssen und nicht hierher zurückkommen dürfen.
Grace war nicht die erste Frau, die ihm ihre Liebe gestanden hatte, aber die Erste, der er es wirklich abnahm. Dennoch schien es unmöglich! Sie war so intelligent, stark und gradlinig … und viel schöner, als sie es die Welt wissen lassen wollte. Ihr Leben lang hatte sie gekämpft und hart gearbeitet, um das zu werden, was sie heute war. Und dabei hatte sie es sogar geschafft, ihre belastende Vergangenheit zu überwinden.
Was wollte sie von einem Verlierer wie ihm?
Grace konnte dabei nichts gewinnen, sondern höchstens verlieren. Aber ihn anzulügen, passte schon gar nicht zu ihr. Ihre Aufrichtigkeit strahlte ihm aus den warmen braunen Augen entgegen, und die klare Stimme verriet ihre tiefe, ruhige Überzeugung.
Damit hatte sie etwas in ihm angerührt und wachgerufen, das Lucas keine Ruhe mehr ließ. Warum machte es ihm plötzlich Angst, tatsächlich so leer und emotionslos zu sein, wie er es immer behauptet hatte?
„Jacob …“ Lucas trat an die Seite seines Bruders. Beide Männer schauten eine Weile schweigend auf die trügerisch ruhige Oberfläche des Sees. Das dunkle Wasser glitzerte in der späten Nachmittagssonne.
„Wie aufmerksam von dir, meine Einwilligung eingeholt zu haben, bevor du hier ein mehr als üppiges Event inszenierst“, murmelte Jacob ironisch, „eingedenk des Umstandes, dass ich der Besitzer dieses Anwesens bin, ob es mir nun gefällt oder nicht.“
„Schon gut“, gab Lucas zurück. „Du hast meine Einladung also erhalten. Ich war schon in Sorge, weil ich sie einfach nur durch die Tür ins Haus geworfen habe.“ Das musste als Entschuldigung reichen. „Heißt das, du bleibst zur Gala?“
Die lässige Dreistigkeit seines jüngeren Bruders entlockte Jacob ein Lächeln. „Unbedingt! Ich bin natürlich überglücklich, dass Wolfe Manor auf eine derart … kreative Weise quasi wieder zum Leben erweckt wird. Aber was mich noch mehr freut, ist, dass du dir meinen dezenten Wink tatsächlich zu Herzen genommen hast.“
„Dezenter Wink?“, echote Lucas trocken. „Ich würde es eher als Blattschuss bezeichnen.“
Er fragte Jacob nicht nach seinen Plänen für das Familienanwesen, sondern registrierte plötzlich, dass die dumpfe Wut, die ihn von Wolfe Manor und von seinem Bruder weggetrieben hatte, nicht mehr da war. Sein Inneres war erfüllt von Grace … und dem Geständnis ihrer Liebe. Was er davon halten, und wie er damit umgehen sollte, wusste Lucas allerdings immer noch nicht.
„Nie hätte ich geglaubt, den Tag zu erleben, an dem du einer ernsthaften Arbeit nachgehst“, bekannte Jacob.
„Da bist du nicht der Einzige, Bruder“, erwiderte Lucas spröde. „Aber so schlecht bin ich gar nicht in dem Job, glaube ich.“
„Das überrascht mich kein bisschen.“ Jacob wandte sich zur Seite, um den Jüngeren direkt anzusehen. „Du verdienst weit mehr vom Leben, als ewig im Schatten seines unguten Geistes gefangen zu sein. Das war es, was ich dir eigentlich sagen wollte.“
Wieder dachte Lucas an Grace und ihre wundervollen Augen, in denen er Emotionen gesehen hatte, die sich in seinem Herzen widerspiegelten. Tiefe Gefühle, denen er keinen Namen zu geben wagte, so sehr es ihn auch danach verlangte. Er dachte an den Frieden, den er verspürte, wenn er sie in den Armen hielt. Und an die warme Stimme mit dem weichen Südstaatenakzent, als sie ihm ihre Liebe gestanden hatte.
Er straffte sich und atmete tief durch. „Weißt du was, Jacob? Ich glaube, du könntest sogar recht haben.“
Die Sonne sank zunehmend tiefer am Horizont, die Schatten wurden immer dunkler, und hinter den Männern flammten Tausende von Lichtern auf. Grace hatte sie so geschickt anbringen lassen, dass sie wie ein riesiger Sternenhimmel wirkten, der sich über dem gesamten Festplatz wölbte und bis zum Boden reichte. Es war ein magischer Anblick, der einem die
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