Kuessen Auf Eigene Gefahr
in den Schatten nicht einmal sein Gesicht erkennen. «Solltest du es schaffen, dem anderen Geschlecht nicht an die Kehle beziehungsweise an die Halsschlagader zu gehen, dann habe ich hier einen Mann für dich, den du kennenlernen solltest.» In Reinas hellblauen Augen blitzte der Schalk. «Ich habe schon eine Verabredung für dich arrangiert, genau eine Minute, nachdem der Fluch ausläuft. Meine liebe Freundin, es gilt, keine Zeit zu verlieren. Du verdienst es, wieder zu leben.»
«Eine Verabredung?» Trinity verkrampfte sich. Verabredungen waren so ein unerfreuliches Thema. Es hatte nicht mal etwas gebracht, einen menschenverachtenden Serienmörder zu daten. Je idiotischer der Mann war, desto mehr erkannte sie sich selbst in ihm wieder und entwickelte Mitgefühl für ihn. «Ich kann nicht –»
«Du kannst sehr wohl. Darum geht es ja. Ab kommendem Sonntag kannst du dich wieder mit Männern einlassen.» Reina grinste. «Wirklich und wahrhaftig.»
Wirklich und wahrhaftig . Trinity holte tief Luft und versucht, ihre verspannten Finger zu lockern. «Der Gedanke, dass ich es zulassen könnte, jemanden zu mögen, das fühlt sich so seltsam an.» Die Jungs, mit denen sie sich in den letzten Jahren verabredet hatte, waren handverlesene, besonders abscheuliche Exemplare gewesen. Der Fluch trieb sie unbarmherzig dazu, nach ihrer wahren Liebe zu suchen, und so hatte sie sich etwas ausdenken müssen, um gleichzeitig dieses Verlangen zu befriedigen und zu vermeiden, Mister Right zu finden. Reina erwies sich bei der Suche nach qualifiziertem, alleinstehendem Abschaum für gelegentliche Dates als sehr hilfreich. «Wie viele Tentakel hat er denn?»
«Keinen einzigen! Und aus keiner seiner Körperöffnungen kommen unangenehme Gerüche.» Reina hob die Augenbrauen. «Ich denke, er ist genau der Richtige für dich. Er ist groß, richtig muskulös und kann mit seinen Gedanken Gebäude zum Einsturz bringen.»
«Ich weiß nicht recht. Ich bin nicht sicher, ob ich dafür schon wieder bereit bin.» Trinity nahm einen Schluck Leitungswasser und ließ die kühle Flüssigkeit in ihrem Mund hin und her rollen. Ein leises Gefühl der Hoffnung stahl sich in ihr Herz, dass sie vielleicht, nur vielleicht, ab Sonntag wieder in der Lage wäre, sich mit einem Mann zu treffen. Dass sie wieder Zutrauen in sich selbst haben könnte. Dass sie wieder daran glauben könnte, dass auch sie eine Chance verdiente, glücklich zu werden.
«Und das Beste ist: Er hat die letzten zwölf Jahre wegen heimtückischen Mordes im Gefängnis gesessen», fuhr Reina fort, «darum wird er dich wegen der vier Jungs, die du umgelegt hast, nicht schief ansehen.»
«Nein», sagte Trinity und stellte ihr Glas hin. «Ich gehe nicht mit einem Mörder aus.»
Reina zog die Brauen hoch und meinte spitz: «Das ist jetzt aber doch ein bisschen heuchlerisch, meinst du nicht auch? Schließlich hast du dich in den Boston-Bedtime-Würger verliebt und ziehst eine Spur aus Leichen hinter dir her.»
Trinity biss sich auf die Lippe. «Wenn ich bis Sonntag durchhalte, dann will ich ganz von vorne anfangen. Die Vergangenheit hinter mir lassen. Ein neues Leben beginnen. Keine Todesfälle mehr. Egal auf welche Art und von wem verschuldet.»
Reina tätschelte Trinitys Hand. «Ich habe dich wirklich gern, meine Süße, und ich halte dich für einen wundervollen Menschen, aber du hast vier Männer umgebracht. Du kannst nicht einfach plötzlich jemand anderes sein. Herrgott noch mal, du riechst nach Tod! Selbst wenn du hundert Meter von mir weg stehst, werde ich noch high von dem Duft. Das wird sich nie ändern.»
«Das muss es aber.» Trinity trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. «Am Sonntag geht es nicht nur darum, den Fluch zurückzulassen, sondern darum, neu zu beginnen und –»
«Trin!»
Der verzweifelte Schrei schreckte die beiden Frauen auf. Elijah Harpswell, Trinitys Vater, rannte auf sie zu und versuchte dabei, den Tischen um ihn herum auszuweichen, die mit teurem Porzellan gedeckt waren. Er sprang über einen distinguiert aussehenden Gast und traf dabei beinahe dessen hübsch ausstaffierte Tischdame. Elijah trug Jeans, ein altes T-Shirt und regenbogenfarbige Flip-Flops. Seine Kleidung war über und über mit feuchtem Ton bespritzt.
Sein Künstler-Outfit.
Er ließ es niemals zu, dass man seine Töpfersitzungen unterbrach.
«Dad!», schrie Trinity und sprang auf. Sie wusste nur zu gut, dass höchstens der Tod es fertigbrachte, ihren Vater von seiner Arbeit loszueisen.
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