Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
lediglich als Terroristen brauchbar. Ich hätte mir
vorstellen können, daß er sie rein aus Prinzip an die
Polizei verkaufen würde, auch wenn sie ihm eine Menge Geld
anboten. Ging er allmählich dazu über, sich gegen Verluste
abzusichern, für den Fall, daß er aufs falsche Pferd
setzte, oder war er einfach unersättlich gierig? Es gibt hier
ein Sprichwort: Verbrechen flüstert, Geld redet.
»Aber es befinden sich Leute auf dem Schiff, nicht
nur…«
»Du wirst sie nicht zu Gesicht bekommen. Und überhaupt,
es handelt sich um Gardisten, Marinemitglieder, Handlanger der
Regierung, Geheimdienstagenten… Warum machst du dir um die
Sorgen?« Kaddus klopfte mir auf die feuchte Schulter. »Du
schaffst es!«
Ich wandte den Blick ab von seinen müden grauen Augen und
senkte ihn auf die Pistole, die ruhig in meiner Faust lag und deren
kleiner Bildschirm schwach leuchtete. Verraten von meiner eigenen
Haut, meiner eigenen Berührung. Ich dachte wieder an die
Krankenhausrechnung. Ich hätte am liebsten geweint, doch das
schickte sich nicht bei diesen Männern hier, und was hätte
ich sagen sollen? Ich war eine Frau, ich war die Kultur. Doch
ich hatte diese Eigenschaften abgelegt, und jetzt bin ich ein Mann,
und jetzt befinde ich mich in der Freien Stadt Vreccis, wo nichts
frei ist.
»Nun gut«, sagte ich mit einem bitteren Geschmack im
Mund. »Ich werde es tun.«
Cruizell sah enttäuscht aus. Kaddus nickte. »Gut. Das
Schiff kommt am Neunttag; du weißt, wie es aussieht?« Ich
nickte. »Dann wirst du keinerlei Probleme haben.« Kaddus
lächelte dünn. »Man kann es fast von überall in
der Stadt sehen.« Er brachte etwas Bargeld zum Vorschein und
schob es mir in die Manteltasche. »Nimm dir ein Taxi. Die U-Bahn
ist heutzutage zu unsicher.« Er tätschelte mir leicht die
Wange; sein Hand roch nach einem teuren Parfüm. »He,
Wrobik, mach ein fröhlicheres Gesicht, ja? Du wirst ein
verdammtes Raumschiff zusammenschießen. Das ist doch eine tolle
Erfahrung.« Kaddus lachte und sah zuerst mich und dann Cruizell
an, der pflichtschuldigst ebenfalls lachte.
Sie gingen zurück zum Wagen; er brummte in die Nacht davon,
die Reifen drehten auf der regennassen Straße quietschend
durch. Ich blieb zurück und beobachtete, wie die Pfützen
großer wurden, und die Waffe lastete in meiner Hand wie eine
Schuld.
»Ich bin ein Leicht-Plasma-Projektor, Modell LPP 91, zweite
Produktionsserie, gebaut in A/4882.4 in der Fabrikationsanlage Sechs
im Spanshacht-Trouferre-Orbital, Orvolous-Sternenhaufen. Seriennummer
3.685.706. Gehirnwert Punkt eins. AM-batteriebetrieben, Nennleistung:
unendlich. Maximale Energie pro Einzelgeschoß:
3.1 x 8 10 Joules, Recyclingzeit 14 Sekunden.
Höchste Feuerleistung: 260 U/Sek. Verwendung
ausschließlich genofixen Individuen der Kultur vorbehalten,
epidermale Genanalyse. Nur mit Handschuhen oder leichter Panzerung zu
benutzen, Speicherung der Zugangs-›Modi‹ mittels
Befehlsknöpfen. Unbefugter Gebrauch ist sowohl verboten als auch
strafbar. Erforderlicher Fähigkeitsgrad 12 – 75 % C.
Ausführliche Instruktionen folgen; benutzen Sie die
Befehlsknöpfe und den Bildschirm für: Wiederholen, Suchen,
Pause oder Stop…
Instruktionen, Teil eins: Einführung. Der LPP91 ist eine
für friedliche Bedingungen ausgelegte Allzweckwaffe mit einem
hochentwickelten Betriebssystem, nicht geeignet für unbegrenzten
Kampfeinsatz; ihre Konstruktions- und Leistungsparameter basieren auf
den Empfehlungen von…«
Die Pistole lag auf dem Tisch und erzählte mir mit hoher,
blecherner Stimme alles mögliche über sich, während
ich lässig in einem Sessel hing und auf die emsige
Geschäftigkeit einer Straße in Vreccis Unterstadt
hinausblickte. U-Güterzüge erschütterten alle paar
Minuten den baufälligen Apartmentblock, Verkehr wimmelte auf
Straßenebene, reiche Leute und die Polizei bewegten sich mit
Fliegern und Patrouillenkreuzern durch die Luft, und über
alledem schwebten die Raumschiffe.
Ich kam mir vor wie in einer Falle, gefangen zwischen all diesen
Schichten der Bewegung.
In weiter Ferne sah ich über der Stadt den schlanken,
glänzenden Turm der städtischen Vertikalbahn, der sich auf
seinem Weg in den Raum geradewegs bis zu den Wolken und durch sie
hindurch erhob. Warum konnte der Admiral nicht einfach die V-Bahn
benutzen, anstatt eine große Schau abzuziehen und mit seinem
eigenen Schiff zurückzukehren? Vielleicht fand er ein
Transportmittel, das nur ein besserer Aufzug war, seiner
unwürdig.
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