Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
sein Angebot zum Mitfahren an. Er griff
hinunter nach…
Sein Gefährte stieß ihn in die Rippen. »Wie wenn
ich zuviel Bettzeug nehmen und du mir aus dem Bett schubsen oder wenn
ich deinen Wein trinken und du mir drei Schläuche
Abführbier trinken lassen oder wenn du diese Tochter von
Gouverneur schwängern und er dich die
Schuldeneintreiberstrategen auf dem Hals hetzen oder wenn
irgendwelche Ort nicht alle Steuern bezahlen und Seine Majestät
befehlen, daß das Geburtsurkunde von Erstgeborenen jeder
Familie müssen bestätigt werden oder…?«
Mc9, der durchaus daran gewöhnt war, daß sein
Gefährte das verbale Äquivalent einer Feuerprobe anzuwenden
beliebte, hielt die Hand hoch, um seiner Flut von Beispielen Einhalt
zu gebieten. Sein Gefährte setzte seinen Wortschwall trotz der
Hand über seinem Mund fort. Endlich hörte das Gemurmel
auf.
»Ja«, bestätigte Mc9. »So ist es.« Er
nahm die Hand weg.
»Oder ist es wie wenn…?«
»He«, unterbrach ihn Mc9, und seine Miene hellte sich
auf. »Wie wär’s, wenn ich dir eine Geschichte
erzählte?«
»Oh, eine Geschichte«, sagte sein Gefährte
strahlend und umklammerte Mc9s Arm voller Vorfreude. »Eine
Geschichte wären…« – die Züge seines
dreckigen Gesichts verzogen sich wie eine austrocknende Schlammzone,
während er sich darum bemühte, ein passendes Adjektiv zu
finden – »… schön.«
»Okay. Laß meinen Ärmel los und reich mir den
Wein, damit ich meine Kehle anfeuchten kann.«
»Oh«, sagte Mc9s Gefährte und sah plötzlich
lauernd und argwöhnisch aus. Er ließ den Blick vor den
Karren wandern, über den schnarchenden Kutscher und das sich
abmühende Zugtier hinweg, und sah die Stadt, die immer noch nur
ein ferner Schimmer am Ende des Bandes gebleichter Knochen war, das
die Straße darstellte. »Okay«, seufzte er.
Er reichte Mc9 den Weinschlauch, der etwa die Hälfte dessen,
was noch übrig war, in sich hineinsoff, bevor der quiekende,
protestierende Gefährte es schaffte, ihn seinem Griff zu
entreißen, wobei er den größten Teil des Restes
über sie beide verschüttete und einen Strahl
Flüssigkeit über den Hals des schnarchenden Kutschers und
sogar bis zum Kopf des pferdähnlichen Tieres verspritzte (das
genüßlich die Tropfen aufleckte, die über sein
schweißnasses Gesicht rannen).
Der altersschwache Kutscher wachte zusammenzuckend auf und sah
sich mit wildem Blick um, wobei er sich den feuchten Hals rieb, die
ausgefranste Peitschte schwenkte und offensichtlich fest damit
rechnete, daß er Räuber, Halsabschneider und sonstige
Schurken in die Flucht schlagen mußte.
Mc9 und sein Gefährte grinsten ihn einfältig an, als er
sich umdrehte und zu ihnen hinuntersah. Er furchte das Gesicht,
trocknete sich den Hals mit einem Lumpen ab, dann drehte er sich um
und sank wieder in seinen Schlummer zurück.
»Danke«, sagte Mc9 zu seinem Gefährten. Er wischte
sich übers Gesicht und saugte an einem der frischen Weinflecken
auf seinem Hemd.
Der Gefährte nahm einen zaghaften, gezierten Schluck Wein,
dann drehte er den Verschluß fest in den Darmschlauch und legte
ihn als Nackenstütze hinter sich. Mc9 reckte sich und
gähnte.
»Ja«, sagte sein Gefährte ernst. »Erzähl
mich ein Geschichte. Mich würde gern ein Geschichte hören.
Erzähl ein Geschichte von Liebe und Haß und Tod und
Tragödie und Komödie und Schaurigkeit und Lust und
Sarkasmus; erzähl mich von große Taten und winzig kleine
Taten und kühne Männer und Bergvölker und riesige
Riesen und Zwerge, erzähl mich von tapfere Frauen und
schöne Menschen und große Zauberererer und von verhexte
Schwerter und seltsame uralte Mächte und schreckliche, so ein
Art von widerliche Dinge, die… ähm… gar nicht leben
dürften, und… ähm… komische Krankheiten und
allgemeine Widrigkeit. Ja, das ich mögen. Erzähl mich. Ich
wollen das.«
Mc9 war dabei, wieder einzuschlafen, da er von Anfang an nicht die
entfernteste Absicht gehabt hatte, seinem Gefährten eine
Geschichte zu erzählen. Der Gefährte versetzte ihm einen
Stoß in den Rücken.
»He!« Er stieß ihn noch fester an. »He! Die
Geschichte! Du nicht einschlafen! Was ist mit Geschichte?«
»Wichs auf die Geschichte!« sagte Mc9 schläfrig,
ohne die Augen zu öffnen.
»LMA!« sagte der Gefährte. Der Kutscher wachte auf,
drehte sich um und gab ihm eine Ohrfeige. Der Gefährte
verstummte und rieb sich die betroffene Kopfseite. Er stieß Mc9
erneut an und flüsterte: »Du haben gesagt, du mich
erzählen eine
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