Kultur 08: Der Algebraist
wissen
willst, müsste ich im Sept-Archiv nachsehen.«
»Was gibt es sonst zu sagen? Über das Symposium, meine
ich. Wie lautete das Thema?«
»Wenn ich mich recht erinnere, sollten die Jagdmethoden der
Dweller mit den Verfahren der Inquisitionsbehörden im
Maschinenkrieg verglichen werden.« Fassin strich sich über
das Kinn. »Die Beispiele stammten aus dem Ulubis-System, einige
sogar von ’glantine.«
Slovius nickte und sah seinen Neffen an. »Weißt du, was
man unter einer Abgesandten-Projektion versteht, Fassin?«
Fassin blickte hinauf zu dem Teil des Gasriesen, der durch den
transparenten Bereich des Dachs zu sehen war. Auf einer Seite kam
soeben der Terminator in Sicht, der vordere Rand eines schwarzen
Schattens, der über die ferne Wolkenlandschaft kroch. Er wandte
sich wieder seinem Onkel zu. »Kann sein, dass ich den Ausdruck
schon einmal gehört habe. Aber ich würde nicht wagen, ihn
zu definieren.«
»Man schickt per Laserstrahl ein Paket mit Fragen und den
entsprechenden Antworten an einen räumlich entfernten Ort.
Dieses Paket spielt die Rolle eines Abgesandten.«
»Wer ist ›man‹?«
»Die Techniker. Die Administrata. Vielleicht auch die
Omnokratie.«
Fassin richtete sich auf. »Tatsächlich?«
»Tatsächlich. Wenn man den Begleitinformationen glauben
darf, handelt es sich bei dem Objekt um so etwas wie eine Bibliothek,
die mit einem Signallaser übertragen wird. Wenn diese…
Entität an fortgeschrittene Apparaturen mit hinreichender
Kapazität angeschlossen und aktiviert wird, vermag sie, obwohl
sie im Grunde nur aus einer vielfach verzweigten Matrix von Aussagen,
Fragen und Antworten und einem Regelwerk besteht, das festlegt, in
welcher Reihenfolge diese Elemente zum Einsatz kommen, eine
Unterhaltung zu führen, die in vieler Hinsicht als intelligent
bezeichnet werden kann. Damit kommt sie einer Künstlichen
Intelligenz so nahe, wie das in Nachkriegszeiten gestattet
ist.«
»Unglaublich.«
Slovius schaukelte in seinem Becken hin und her. »Jedenfalls
unglaublich selten«, nickte er. »Ein solcher Abgesandter
ist auf dem Weg hierher.«
Fassin blinzelte. »Hierher?«
»Zum Sept Bantrabal. Zu diesem Haus. Zu uns.«
»Zu uns?«
»Er wurde von der Administrata geschickt.«
»Von der Administrata.« Fassin merkte selbst, dass er
sich ziemlich einfältig anhörte.
»Mit dem Technikschiff Esttaun Zhiffir.«
»Du meine Güte«, sagte Fassin. »Welche…
Ehre für uns.«
»Nicht für uns, Fassin; für dich. Die Projektion
hat den Auftrag, mit dir zu sprechen.«
Fassin lächelte unsicher. »Mit mir? Aha. Und
wann…?«
»Die Übertragung läuft bereits. Sie müsste bis
zum späten Abend abgeschlossen sein. Vielleicht solltest du
dafür alle Verabredungen absagen. Hattest du viel vor?«
»Äh… ein Abendessen mit Jaal. Aber…«
»Ich würde an deiner Stelle das Abendessen zeitlich
vorziehen. Und mich nicht zu lange dabei aufhalten.«
»Hm, ja. Natürlich«, sagte Fassin. »Kannst du
dir vorstellen, womit ich das verdient haben könnte?«
Slovius schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Ich habe
nicht die leiseste Ahnung.«
Guime hängte das Interkomgerät an seinen Haken
zurück, verließ seinen Posten, kniete neben Slovius nieder
und flüsterte ihm etwas zu. Slovius nickte und wandte sich an
Fassin. »Haushofmeister Verpych möchte dich sprechen,
Neffe.«
»Verpych?« Fassin schluckte. Der Haushofmeister, der
ranghöchste Diener des Sept Bantrabal, sollte eigentlich im
Tiefschlaf bleiben, bis der ganze Sept in achtzig Tagen in sein
Winterquartier übersiedelte. Dass man ihn vorzeitig störte,
war unerhört. »Ich denke, er schläft!«
»Nun, man hat ihn geweckt.«
Das Schiff war seit Jahrtausenden tot. Wie lange tatsächlich,
wusste niemand genau, aber die plausibelsten Schätzungen
beliefen sich auf sechs bis siebentausend Jahre. Es war nur eines von
all den untergegangenen Schiffen, die mit einer der großen
Flotten am Krieg der ›Neuen Schnellen‹ (oder wenig
später am Maschinenkrieg, vielleicht auch an den darauf
folgenden Streuungskriegen oder an einem der kurzen, erbitterten,
unkoordinierten und blutigen Scharmützel im Verlauf der Aussaat)
teilgenommen hatten. Eine von vielen ausrangierten und vergessenen
Figuren im großen Spiel um die Macht in der Galaxis und die
Vorherrschaft unter den Zivilisationen, in dem
speziesübergreifend intrigiert wurde und jedes Mittel erlaubt
war.
Der Koloss hatte mindestens tausend Jahre lang unentdeckt auf
’glantine gelegen,
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