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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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»Oh-oh«, sagte
Y’sul.
    Die Rakete kam aus der Kurve, ihre Bahn flachte sich ab, und sie
steuerte, ein kleiner, aber rasch größer werdender Punkt,
direkt auf die Nase des Panzerkreuzers zu.
    »Sie haben doch Raketenzerstörer?«, fragte
Hatherence mit einem Blick auf Fassin.
    Mehrere Dweller sahen sich an und stürzten dann auf die
Röhre zu, die in die gepanzerte Nase der Sturmschere führte. Am Eingang entstand Gedränge. Die
Sklavenkinder, die ebenfalls die Flucht ergriffen, gelangten entweder
vor dem großen Ansturm durch die Röhre oder wurden unsanft
beiseite geschleudert und wimmerten kläglich.
    Der Punkt am Himmel wurde größer.
    »Sie brauchen ihr doch nur zu befehlen, sich selbst zu
sprengen?«, sagte der Colonel und rotterte zurück. Aus dem
Innern ihres Schutzanzugs drang ein schrilles Winseln. Der
schreiende, fluchende Dweller-Haufen am Ausgang kam nicht voran. Die Sturmschere setzte zu einer Wendung an, aber sie war
hoffnungslos langsam.
    »Theoretisch kann man die Rakete zerstören«, sagte
Fassin und beobachtete besorgt die immer noch unbewegte Masse vor dem
Ausgang. »Es gibt auch Abfanggeschütze für den
Nahbereich.« Wieder wurde ein verzweifeltes Sklavenkind aus dem
Haufen nach oben geschleudert, prallte schreiend gegen die Decke und
fiel leblos auf das Deck, das sich langsam zur Seite neigte.
    Die Rakete war jetzt kein großer Punkt mehr, sondern hatte
eine eigene Form bekommen. Stumpfe Flügel und ein Leitwerk
wurden erkennbar. Die Sturmschere drehte sich quälend
langsam weiter. Die Rakete raste ihr auf einer pechschwarzen
Abgasspur entgegen. Hatherence schwebte aus ihrer Sitzgrube und
näherte sich der diamantverkleideten Nase der
Beobachtungskanzel, anstatt sich davon zu entfernen.
    - Bleiben Sie zurück, Major, sendete sie. Über
und hinter ihnen war ein schreckliches Reißen und Knirschen zu
hören, ein Netz von fingerdünnen Fäden durchzog das
Gas vor der Schiffsnase, und die Rakete löste sich auf, um erst
dann zu explodieren. Irgendwo hinter ihnen feuerte das
Abfanggeschütz weiter und zerschlug viele von den
größeren glühenden und qualmenden Trümmern, die
weiter auf die Sturmschere zustürzten. Als die so
entstandenen Splitter die Beobachtungskanzel trafen und
durchschlugen, war der Schaden gering, und es gab nur harmlose
Verletzungen.
     
    Der Panzerkreuzer brachte sie bis nach Munueyn, eine Ruinenstadt,
die in die dunklen, dichten Gase der unteren Atmosphäre
abgesunken war. Träge Turbulenzwirbel leckten an ihnen, schwer
und lüstern wie eine monumentale Planetenzunge. Die Stadt war
ein Meer von Türmen und Achsen, fast verlassen, längst aus
der Mode gekommen, ein ehemaliges Sturm-Zentrum, das jetzt so weit
abseits lag, dass sich kaum noch jemand dafür interessierte.
Munueyn hätte sich Kudos erwerben können, hätte es
sich in der Nähe einer Kriegszone befunden, doch innerhalb einer
solchen brauchte sie sich darauf keine Hoffnungen zu machen. Eine
Fregatte übernahm die Reisenden vom Panzerkreuzer und setzte sie
im einstmals viel frequentierten RaumHafen der Stadt ab, einer
gigantischen Halle, in der jeder Laut ein Echo erzeugte. Von den
ansässigen Vermietern und Fliegern wurden sie wie heimkehrende
Helden oder wie Götter empfangen. Sie fanden ein Gästehaus
für negatives Kudos, wo sie tatsächlich dafür bezahlt
wurden, dass sie dort abstiegen.
    »Meister!«, sagte Scholisch und erhob sich über die
Schar von Bittstellern, die unten in dem kleinen Hof warteten.
»Ein Hotelier von makellosem Ruf und mit ausgezeichneten
familiären Verbindungen im Bereich Reisegenehmigungen in
Kriegszeiten bittet dich inständig, dir ein Angebot vorlegen zu
dürfen. Er will dir eine richtige Flotte bestehend aus einem
Halbdutzend gut ausgestatteter Schiffe zur Verfügung stellen,
alle in bestem Zustand, technisch einwandfrei und in weniger als
einer Stunde nach Ankunft startbereit.«
    »Und wann soll das sein, du Flüchlein meines bereits
allzu langen Lebens?«
    »In einem Tag. Höchstens zwei, versichert er.«
    »Kommt nicht in Frage! Ganz und gar ausgeschlossen!«
Y’sul erschauerte schon bei der Vorstellung. Er räkelte
sich in einer Grube auf der blumengeschmückten Terrasse vor der Taverna Bucolica, sodicht über dem Hauptplatz der Stadt,
dass man die Verzweiflung des Bürgermeisters riechen konnte. Man
reichte ihm einen Pharmazylinder, er nahm einen tiefen Zug,
stieß den Rauch aus und hauchte: »Der
Nächste!«
    Fassin und der Colonel schwebten nicht weit von ihm.

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