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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Kollektion von uralten, zerfallenden Wracks so
unheimlich, dass sie sich möglichst davon fern halten
wollten.
    Die Ythyn waren Sammler, und sie hatten eine Spezialität: Sie
sammelten Tote. Sie stellten nichts weiter mit ihnen an, sondern
sortierten sie nur grob nach Art, Typ und Größe und
lagerten sie dann ein. Im Allgemeinen sammelten sie nur Leichen
– und manchmal auch die Schiffe und anderen Transportmittel, auf
denen sie sich befanden – die sonst niemand haben wollte.
Dennoch war die ganze Tätigkeit hoffnungslos morbide, und
deshalb bezeichnete man die Ythyn zusammen mit anderen
todessüchtigen Spezies nur als die Morbs.
    Fassin und Y’sul wurden in der sanft erleuchteten,
höhlenartigen Eingangshalle von einem Ythyn-Offizier empfangen,
– einem imposanten dunklen Vogelwesen, mehr als drei Meter
groß, in einem engen, glänzenden, fast durchsichtigen
Gelanzug. Die Haut darunter erinnerte an dunkelblaues Pergament. Die
fest zusammengebundenen Doppelschwingen, die ausgebreitet eine
Spannweite von zwölf Metern gehabt hätten, ließen
erkennen, dass der Ythyn noch jung war. Er stand auf drei ungleichen
Beinen: eine dicke Gliedmaße hinten, zwei dünnere vorne.
Der breite Lippenschnabel unter dem Gelanzug war mit glitzernden
Intarsien aus Edelmetall verziert. Die beiden Augen glichen riesigen
schwarzen Tellern. Von den vergitterten Nüstern führten
dünne, geschwungene Röhren zu kleinen runden Tanks aus
fleckigem Silber, die ihm wie Eier auf dem Rücken hingen. Auf
Ythyn-Schiffen gab es keine Atmosphäreschleusen; die Besatzung
verbrachte mit ihren toten Schützlingen die ganze Zeit im harten
Vakuum. Nur diesem lautlosen Nichts ausgesetzt und deshalb immer auf
wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt,
konnten die Leichname in dem großen Schiff eine Ewigkeit lang
ungestört lagern, ohne zu verwesen. Die einzigen
Verfallserscheinungen waren bedingt durch die Todesursache und die
Nebenwirkungen des schnellen oder langsamen Gefrierprozesses.
    - Ich heiße Sie willkommen, erklärte der
Ythyn-Offizier mit einem flachen Signal ohne jede Betonung, nur
eingeleitet von formelhaften Zeichen für Traurigkeit und
Ehrfurcht. – Sie sind Mr. Taak, und Sie sind Mr. Y’sul,
richtig?
    - Richtig, sendete Fassin.
    Mein Name ist Neunter Lapidarius, ich bin der diensthabende
Rezeptionär. Aber auch die Anreden ›Neunter‹ oder
›Diensthabender‹ sind ehrenvoll und werden gern akzeptiert.
Haben Sie, meine Herren, schon verfügt, wie Ihr Körper nach
Ihrem Ableben behandelt oder entsorgt werden soll?
     
    Infolge eines grausigen Techno-Fluches, der Rache einer Spezies,
von der sie nach einem harten Kampf vernichtend geschlagen worden
waren, mussten die Ythyn schon seit einer Milliarde Jahren die Toten
einsammeln. Sie hatten durch jene Niederlage ihr kleines Reich, ihre
Hand voll Planeten, ihre großen Habitate und die meisten ihrer
Schiffe verloren. Sogar ihre Identität hatte man ihnen genommen
und sie in ein genetisches Manipulationsprogramm gezwungen, das sie
aus Geschöpfen mit ausgewogenem Intellekt zu todesbesessenen
Kreaturen machte.
    Die Sieger hatten mit teuflischer Gerissenheit eine verborgene
Schwäche ihrer Opfer entdeckt und ausgenützt. Die Ythyn
hatten sich von jeher etwas zu sehr für das Phänomen der
Sterblichkeit interessiert, jedenfalls mehr, als es bei
ähnlichen Spezies üblich war. Die Faszination ging
allerdings nicht so weit, dass man von einer ernsthaften Perversion
hätte sprechen können, und erst recht nicht so weit, dass
sie davon definiert worden wären. Wären sie bei dem
Prozess, der sie so überaus morbide machte, psychisch bis zur
Unkenntlichkeit entstellt worden, dann wäre die Strafe
unangemessen plump ausgefallen. Stattdessen wurden sie durch eine
subtile, aber signifikante Veränderung der eigenen
Körpersignale zu dem, wozu sie vielleicht ohnehin geworden
wären, wenn ähnlich bizarre Veränderungen in ihrer
Umwelt und ihrer Lebensweise es so gefügt hätten. Wer sich
weigerte, sich der Erbgutmanipulation zu unterziehen und sich nicht
das Leben nahm, wurde entweder getötet oder gefangen genommen
und zu der Behandlung gezwungen. Die meisten dieser Opfer begingen
hinterher Selbstmord.
    Die Überlebenden wurden zu Wanderern, zu einer jener
Dutzenden von Spezies, die sich auf Planeten entwickelt hatten, aber
nun keine Heimatwelt mehr haben durften – oder, in ganz wenigen
Fällen, haben wollten. Sie bauten massive kalte und dunkle
Schiffe und häuften riesige

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