Kultur 08: Der Algebraist
Merkatoria die nötige Deckung, aber
selbst wenn die Wahrheit herauskäme, würde sie nur
bekräftigen, wie ernst man es dort mit dem KI-Verbot
nahm.
Es hätte so gewesen sein können. Der alte Slovius hatte
sich immer bemüht, den anderen Septen einen Schritt voraus zu
sein, und damit Bantrabal im Lauf der Jahre zu seiner herausragenden
Stellung verholfen. Es klang einleuchtend, es passte zu Slovius, er
hätte auch sein Fußvolk entsprechend unter Druck gesetzt.
Und der Merkatoria war ohnehin alles zuzutrauen.
- Woher weißt du das?, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. – Die Spitzel sind
überall, Fass, erklärte sie fast beschämt. – Wir haben viele Freunde.
- Das kann ich mir denken.
Ob er ihr glaubte? Vielleicht bis auf weiteres.
Die Beyonder hatten von der Liste und der Transformation gewusst.
Und das offenbar – wie so viele andere – schon lange vor
ihm. Er selbst hatte erst begriffen, worüber er bei jenem
längst vergangenen Trip gestolpert war, als die Projektion von
Admiral Quile es ihm und allen anderen im Palast des Hierchon
erklärt hatte. In der Zwischenzeit hatten die Beyonder
längst ihre eigene Flotte ins Zateki-System geschickt, weil sie
– wie die Jeltick, die als Erste die von ihm gefundene
Information entschlüsselt und ihre Bedeutung erkannt hatten
– glaubten, die Transformation dort in dem Zweiten Schiff zu
finden. Und sie waren bereits von den Voehn besiegt worden. Offenbar
war die Hälfte der verdammten Galaxis um Zateki herumgeschwirrt
und hatte nach einem Schiff gesucht, das nicht mehr da war, falls es
jemals da gewesen sein sollte, während er von alledem keine
Ahnung hatte.
- Warum hast du mich nicht einfach gebeten, danach zu suchen?, fragte Fassin. – Verdammt, ich hätte schon vor
Jahrhunderten versucht, die Transformation in Nasq ausfindig zu
machen, ihr hättet nur ein einziges Mal danach zu fragen
brauchen.
Sie sah ihn lange an, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck
von… er war nicht sicher. Traurigkeit, Mitleid, Bedauern,
Verzweiflung?
- Was hast du?, sendete er.
- Die Wahrheit?, fragte sie.
- Die Wahrheit.
- Fassin. Sie schüttelte den Kopf. – Wir haben
dir nicht getraut.
Er starrte sie nur an.
Fassin sagte ihr, was er entdeckt zu haben glaubte, und teilte ihr
auch seine Schlussfolgerungen mit. Sie glaubte ihm nicht.
- Kommst du mit uns?
- Kann ich? Darf ich?
- Natürlich. Wenn du willst.
Er überlegte. – Okay, sendete er dann. Er
überlegte noch einmal. – Aber vorher muss ich noch mit
jemandem sprechen.
Setstyin nahm gerade ein Wasserbad, als der Besucher eintraf. Eine
neue und sehr wohltuende Mode. Sein Diener meldete den Seher Fassin
Taak. Setstyin war angenehm überrascht, eine köstliche,
leicht makabre Vorfreude erfüllte ihn.
»Bestelle Seher Taak, ich würde ihn mit großem
Vergnügen empfangen«, befahl er seinem Diener. »Bitte
ihn, in der oberen Bibliothek zu warten. Tu alles, um ihm den
Aufenthalt möglichst angenehm zu machen. Ich bin in zehn Minuten
bei ihm.«
»Fassin! Wie schön, dich zu sehen! Ich kann dir nicht
sagen, wie ich mich freue. Wir dachten – nun, wir hatten schon
das Schlimmste befürchtet, ich schwöre es dir. Wo warst du denn die ganze Zeit?«
Fassin war sichtlich um eine Antwort verlegen. »Ich kann es
dir nicht sagen, weil ich fürchte, du würdest mir nicht
glauben«, erklärte er endlich ruhig.
Das Gasschiffchen schwebte mitten in der kreisrunden Bibliothek,
deren Wände und Boden aus Kristallblöcken bestanden. Licht
fiel durch die durchsichtige Decke und die eine große Tür,
die auf einen breiten Balkon ohne Geländer führte.
Setstyins Haus lag in der Äquatorzone in der Stadt Aowne
mitten im Gas. Vor dem großen Fenster zogen langsam die satt
gelben und orangeroten Wolken vorbei.
»Meinst du?«, fragte Setstyin. »Du könntest es
doch zumindest versuchen. Und bitte sag mir, ob ich irgendetwas
für dich tun kann. Komm, setzen wir uns.«
Sie ließen sich in zwei Sitzgruben zu beiden Seiten eines
niedrigen Tisches nieder. Gleich daneben stand ein wesentlich
stabilerer und pompöserer Schreibtisch.
»Es ist eine lange Geschichte«, begann Fassin.
»Je länger, desto lieber!«, rief Setstyin und zog
seine langen Gewänder fester um sich.
Fassin zögerte einen Moment, wie um seine Gedanken zu ordnen.
Der Bursche wirkte ziemlich abgestumpft, dachte Setstyin, und im
Vergleich zu früher sehr viel schwerfälliger.
Fassin schilderte dem Suhrl einige seiner Abenteuer seit ihrer
letzten
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