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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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R ichter Curran hatte eben seine Zusammenfassung beendet, und das Gerichtsgebäude hatte sich kaum geleert, als der Gerichtsdiener ihm mitteilte, die Geschworenen seien zu einem Urteil gekommen. Einige Reporter waren noch geblieben, andere waren in die Stadt gegangen, um ihre Berichte an öffentlichen Telefonen zu übermitteln. In einem Mordfall, bei dem die Todesstrafe drohte, war kein frühes Urteil erwartet worden.
    Der sechsundzwanzigjährige Robert McGladdery aus Damolly in Newry stand wegen Mordes an der neunzehnjährigen Pearl Gamble, die ebenfalls aus Damolly stammte, vor Gericht. Weil die Verteidigung befürchtet hatte, in Newry könne keine unbefangene Geschworenenjury zusammengestellt werden, fand die Verhandlung im Gericht von Downpatrick statt.
    Die Anklage vermutete, dass McGladdery dem Mädchen auf ihrem Heimweg von einem Tanzabend in der Henry Thompson Memorial Orange Hall in Newry aufgelauert hatte. Man ging davon aus, dass McGladdery Pearl geschlagen, sieben Mal auf sie eingestochen und dann erwürgt hatte. Ihre nackte Leiche war mehr als eine halbe Meile über ein Stoppelfeld geschleppt und notdürftig an einem Ort versteckt worden, den Einheimische unter dem Namen Weir’s Rock kannten. Die Anklage wurde vertreten durch Attorney General Brian McGuinness, die Verteidigung durch Kronanwalt James Brown. Richter Lance Curran hatte den Vorsitz.
    Die Verhandlung hatte sieben Tage gedauert. Brown sagte später, er habe gedacht, je länger die Geschworenen berieten, umso besser für seinen Klienten. Die Beweise gegen McGladdery beruhten zur Gänze auf Indizien. Die Anklage hatte keinen Augenzeugen und keinerlei forensische Beweise, die ihn mit dem Verbrechen in Verbindung brachten. McGladdery war sechs Stunden im Zeugenstand gewesen, was ihm, wie Brown fand, nicht zum Vorteil gereicht hatte, auch wenn McGladdery beharrlich daran festhielt, nichts mit dem Mord an dem Mädchen zu tun zu haben. Brown hatte darauf gehofft, dass sich die Geschworenen Zeit nehmen würden, um das Fehlen von direkten Beweisen zu erörtern. Er hatte gehofft, sie würden sich mit dem Fehlen eines Tatmotivs auseinandersetzen. Pearl war nackt ausgezogen worden, doch es war, mit den Worten Detective John Speers’, der maßgeblich mit den Ermittlungen befasst war, »eine Gnade, dass sie nicht entehrt wurde«. Brown hatte auf jeden Fall bereits damit begonnen, Argumente für eine Berufung zu erwägen. Eine solche Berufung würde nicht einfach sein. Richter Curran hatte die Verhandlung mit eisiger Unvoreingenommenheit geführt. Es schien, als habe er an jede Möglichkeit gedacht. Brown hatte versucht, sich juristische Hintertürchen offenzuhalten und bestimmte Bereiche unangesprochen zu lassen, um später Wege für eine Berufung zu finden. Aber Curran hatte jeden Zug vorausgesehen und damit Browns künftigen Handlungsspielraum eingeschränkt. Der Richter hatte eine sanfte Stimme und war unerbittlich; und bei seiner letzten Belehrung der Geschworenen soll es, laut Eddie McCrink, Chefinspektor der königlichen Polizeitruppe, nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein.
    Currans Anwesenheit im Gerichtssaal wäre in keinem anderen Gerichtsbezirk toleriert worden. 1952 war Patricia, die neunzehnjährige Tochter des Richters, ermordet worden, ein Verbrechen, das enormes öffentliches Interesse geweckt hatte. 1953 war Iain Hay Gordon, ein junger Flieger, des Mordes an Patricia Curran wegen Unzurechnungsfähigkeit für nicht schuldig erklärt und eingekerkert worden. Es ist nicht anzunehmen, dass auch nur einer der Geschworenen nichts von dem Mord an Lance Currans einziger Tochter wusste. In jedem anderen Gerichtsbezirk wäre Curran von einem Prozess, in dem es um den Mord an einem neunzehnjährigen Mädchen und um die Todesstrafe ging, dispensiert worden oder hätte von sich aus auf den Vorsitz verzichtet.
    In den ersten Tagen sah Brown, wie die Geschworenen verstohlene Blicke zur Richterbank warfen. Sie kannten die Geschichte des Richters. Im Verlauf des Verfahrens hatte Brown den Eindruck, dass sie sich auf Curran und die unterschwelligen Veränderungen in seinem Verhalten eingestellt hatten. Zu Beginn erschien er zerstreut und versunken in Trauer, als müsse er sich selbst in die Gegenwart und die anstehende Aufgabe zurückholen. Nach einigen Tagen bekam seine Haltung eine unerwartete Strenge. Als Speers aussagte, Pearl sei nicht missbraucht worden, blickten die Geschworenen den Richter an. Seine Tochter war ebenfalls erstochen und

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