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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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als
ein halbes Dutzend Jajuejein-Techniker in steifen, unbequemen
Paradeuniformen aus matt schillernden Bändern, die sie in ihrer
Bewegungsfreiheit sichtlich einschränkten, durch eine Tür
an einer Seite des Saalbodens kamen. Sie schoben komplizierte
technische Geräte auf großen Paletten mit vor sich her, um
sie um den Kochkessel herum aufzubauen. Fassin erinnerte sich
plötzlich, dass die Körperbänder das Erkennungszeichen
der Justitiarität waren. Ob er als Major der Ocula ihnen wohl
Befehle erteilen könnte? Eine ähnlich große Gruppe
– der Tracht nach menschliche Cessoria-Priester, vielleicht
sogar Lustrale, obwohl das unter den höfischen
Prunkgewändern schwer auszumachen war – kam aus der
entgegengesetzten Richtung. Die Priester stellten sich dicht hinter
die Techniker, aber die waren vollauf damit beschäftigt, ihre
geheimnisvollen Apparaturen aufzustellen und zu justieren, und
beachteten sie nicht.
    Zuletzt marschierte ein Trupp aus vier menschlichen und vier
Whule-Soldaten in den Saal, in voll verspiegelter Motorpanzerung und
mit einem ganzen Sortiment von schweren Infanteriewaffen. Ein
erschreckender Anblick. Die Atmosphäre im Saal veränderte
sich; man spürte deutlich, wie die Stimmung bei allen Spezies
umschlug. Verwirrung und eine gewisse Neugier wandelten sich in
Unruhe, sogar Angst. Die Quaup verständigten sich mit raschen,
ausdrucksvollen Mimiksignalen, der Schutzanzug der Ifrahile erhob
sich zischend von seiner Plattform, und die beiden Whule starrten
sich an und musterten dann ihre Artgenossen in der Spiegelpanzerung
mit empörten Blicken.
    Wer schickte bewaffnete Streitkräfte in einen Audienzsaal?
War das eine Falle? Hatten alle hier Anwesenden den Hierchon
beleidigt? Sollten sie ermordet werden?
    Die Soldaten bildeten einen großen Kreis um die
Angehörigen der Justitiarität und der Cessoria, die
Panzergelenke rasteten ein, die Waffen wurden in Anschlag gebracht.
Doch sie waren nach innen auf den schwarzen Kochkessel gerichtet. Die
Spannung im Saal ließ ein wenig nach. Dann leuchteten die
Plattformen hinter dem Riesentopf und den verschiedenen
Funktionären einmal auf und versanken im Boden, nur um
Augenblicke später voll besetzt wieder aufzutauchen.
    Ganz außen standen menschliche Hofbeamte in weißen
Uniformen, dann folgte ein Ring aus Höflingen verschiedener
Spezies mit prunkvollen Rangabzeichen. Die äußere Schicht
des Kerns wurde von Angehörigen der Hohen Kommandantur, der
Omnokratie, der Administrata und der Cessoria gebildet, die ebenfalls
unterschiedlichen Spezies angehörten. Fassin kannte die meisten
aus den Nachrichten und von den wenigen offiziellen Visiten bei Hofe,
die er in den vergangenen Jahren pflichtgemäß absolviert
hatte. Sie alle umstanden in ansteigenden Halbkreisen das Wesen im
Zentrum: den Hierchon Ormilla höchstpersönlich. Er schwebte
leise summend in der ganzen Pracht seines riesigen,
platinverplatteten, diskusförmigen Schutzanzugs dicht über
der höchsten Plattform. Hinter dem vorderen Diamantfenster des
Anzugs war inmitten von brodelnden, roten Gaswolken sein schwarzes
Gesicht mit dem weit aufgerissenen Mund zu erkennen. Der Anzug,
sieben Meter hoch und drei Meter breit, war bei weitem der
größte und eindrucksvollste Mikrolebensraum im Saal. Die
Luftfeuchtigkeit kondensierte rasch auf den tiefgekühlten
Oberflächen, die bald mit einer Eisschicht überzogen
waren.
    Als der Hierchon und sein Gefolge erschienen, begann Fassins
Sessel warnend zu vibrieren und versank in der Plattform. Fassin
verstand den Hinweis, stand auf und verneigte sich. Auch alle anderen
Anwesenden bekundeten mit entsprechenden Gesten ihren Respekt. Der
riesige Schutzanzug senkte sich kaum merklich, und als seine Basis
die Plattform berührte, kam auch Fassins Sessel lautlos wieder
zum Vorschein.
    Der Hierchon Ormilla war Oerileithe: ein Gasriesenbewohner zwar,
aber – und dieser Unterschied war für alle Beteiligten
wichtig – kein Dweller, auch wenn er in seinem Schutzanzug so
aussah. Ormilla war vor fast sechstausend Jahren eingesetzt worden,
lange bevor die Menschen kamen, die jetzt den größten Teil
seiner Untertanen ausmachten. Seither regierte er das Ulubis-System.
Im Allgemeinen galt er als fähiger, wenn auch etwas
phantasieloser Herrscher, der den Spielraum eines Hierchon innerhalb
des Merkatoria-Systems mit Vorsicht, Vernunft und gelegentlich sogar
einem gewissen Mitgefühl zu nützen wusste. Seit der
Zerstörung des Portals regierte er nach Einschätzung

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