Kunst des klaren Denkens
Nennen wir ihn den »Erfolgsaffen«.
Wie reagieren die Medien? Sie werden sich auf dieses Tier stürzen, um seine »Erfolgsprinzipien« zu ergründen. Und man wird sie finden: Vielleicht frisst der Erfolgsaffe mehr Bananen als die anderen, vielleicht sitzt er in einer anderen Ecke des Käfigs, vielleicht hangelt er sich kopfüber durch die Äste, oder er macht beim Lausen lange Denkpausen. Irgendein Erfolgsrezept muss er ja haben, nicht wahr? Wie könnte er sonst eine solch fulminante Performance hinlegen? Einer, der 20 Jahre lang immer richtig getippt hat, bloß ein unwissender Affe? Unmöglich!
Die Affengeschichte illustriert den Outcome Bias : unsere Tendenz, Entscheidungen anhand des Ergebnisses zu bewerten – und nicht aufgrund des damaligen Entscheidungsprozesses. Ein Denkfehler, der auch als Historikerirrtum bekannt ist. Ein klassisches Beispiel ist der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor. Hätte der Militärstützpunkt evakuiert werden sollen oder nicht? Aus heutiger Sicht: ganz klar, denn es gab jede Menge Hinweise, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand. Die Signale erscheinen allerdings erst rückblickend so klar. Damals, 1941, gab es eine Unmenge widersprüchlicher Hinweise. Die einen deuteten auf einen Angriff hin, die anderen nicht. Um die Qualität der Entscheidung (evakuieren oder nicht) zu bewerten, muss man sich in die Informationslage jener Zeit hineinversetzen und alles ausfiltern, was wir nachträglich darüber wissen (vor allem die Tatsache, dass Pearl Harbor tatsächlich angegriffen wurde).
Ein anderes Gedankenexperiment. Sie haben die Leistung von drei Herzchirurgen zu bewerten. Dazu lassen Sie jeden Chirurgen fünf schwierige Operationen durchführen. Über die Jahre hat sich die Todeswahrscheinlichkeit bei diesen Eingriffen bei 20 % eingependelt. Das konkrete Ergebnis: Bei Chirurg A stirbt keiner der fünf Patienten. Bei Chirurg B einer. Bei Chirurg C zwei. Wie bewerten Sie die Leistung von A, B und C? Wenn Sie so ticken wie die meisten Menschen, dann werden Sie A als den besten, B als den zweitbesten und C als den schlechtesten Chirurgen bezeichnen. Und damit sind Sie genau dem Outcome Bias verfallen. Sie ahnen schon, warum: Die Stichproben sind zu klein und das Ergebnis ist entsprechend nichtssagend. Wie also die drei Chirurgen bewerten? Wirklich beurteilen können Sie die Chirurgen nur, wenn Sie etwas von deren Handwerk verstehen und die Vorbereitung und Durchführung der OP genau beobachten. Indem Sie also den Prozess und nicht das Ergebnis beurteilen. Oder, zweitens, indem Sie eine viel größere Stichprobe ziehen: 100 Operationen oder 1.000. Wir werden in einem anderen Kapitel auf das Problem zu kleiner Stichproben eingehen. Hier genügt es, zu verstehen: Bei einem durchschnittlichen Chirurgen stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 % keiner, mit 41 % einer und mit 20 % sterben zwei Patienten. Die drei Chirurgen anhand des Ergebnisses zu beurteilen, wäre nicht nur fahrlässig, sondern unethisch.
Fazit: Beurteilen Sie nie eine Entscheidung nur aufgrund des Ergebnisses. Ein schlechtes Ergebnis bedeutet nicht automatisch, dass die Entscheidung schlecht getroffen wurde – und umgekehrt. Statt also mit einer Entscheidung zu hadern, die sich als falsch erwiesen hat, oder sich für eine Entscheidung auf die Schulter zu klopfen, die vielleicht rein zufällig zum Erfolg führte, sollten Sie sich besser noch einmal vor Augen halten, warum Sie so entschieden haben. Aus vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen? Dann tun Sie gut daran, nächstes Mal wieder so zu handeln. Selbst wenn Sie letztes Mal Pech gehabt haben.
DAS AUSWAHL-PARADOX
Warum mehr weniger ist
Meine Schwester und ihr Mann haben eine Wohnung im Rohbau gekauft. Seither können wir nicht mehr normal miteinander reden. Seit zwei Monaten dreht sich alles nur noch um die Kacheln fürs Badezimmer. Keramik, Granit, Marmor, Metall, Kunststein, Holz, Glas und Laminat in allen Spielarten stehen zur Auswahl. Noch selten habe ich meine Schwester in einer solchen Qual erlebt. »Die Auswahl ist einfach zu groß!«, sagt sie, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und wendet sich wieder dem Katalog der Plattenmuster zu, ihrem ständigen Begleiter.
Ich habe nachgezählt und nachgefragt. Das Lebensmittelgeschäft in meiner Nachbarschaft bietet 48 Sorten Joghurt, 134 verschiedene Rotweine, 64 Arten von Reinigungsprodukten, insgesamt 30.000 Artikel. Beim Internetbuchhändler Amazon sind zwei Millionen Titel lieferbar.
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