Kupferglanz
Jarmo, aber er wurde Johnny genannt, solange ich denken konnte. Für mich war er immer Johnny gewesen, und wenn jemand von Jarmo Miettinen sprach, wusste ich nicht gleich, wer gemeint war.
Ich nahm mein Bier und ging auf den Hof, um mich abzukühlen. Mikko, Penas schöner graugetigerter Kater, hockte auf dem Dach der Sauna und lauerte den Vögeln auf. Verglichen mit Einstein wirkte Mikko schmächtig. Hoffentlich fühlte sich Einstein bei Anttis Eltern in Inkoo wohl. Die alte Wehmut beschlich mich wieder, obwohl ich versuchte, sie abzuschütteln. Ich sehnte mich nach Antti, daran konnte kein Zweifel bestehen.
Antti hatte noch drei Monate in Chicago vor sich. Er hatte kurz vor Weihnachten promoviert, mit einer Dissertation über die mathematische Kategorienlehre, und brauchte nach der langen Schufterei einen Tapetenwechsel. Ich dachte an seinen konzentrierten Gesichtsausdruck bei der Doktordisputation, an die schlanken Finger, mit denen er das schulterlange schwarze Haar zurückstrich. Antti entsprach nicht meiner stereotypen Vorstellung von einem genialen Mathematiker; er trug weder eine dicke Brille noch Kreppschuhe, sondern hatte ein Indianerprofil und lief fast immer in schwarzen Jeans herum, wohl nicht die übliche Garderobe an amerikanischen Universitäten.
Mikko miaute an der Tür zum Ankleideraum. Er war die einzige mir bekannte Katze, die sich gern in der Sauna aufhielt. Als ich ihn reinließ, kletterte er auf seinen Stammplatz auf der mittleren Pritsche, rollte seinen Schwanz adrett um sich und schnurrte. Ob er Pena vermisste ?
Ich hatte in Chicago erfahren, dass mein Onkel Pena nach einer Gehirnblutung halbseitig gelähmt war und die Sprache verloren hatte. Er lag im Krankenhaus und würde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr auf seinen kleinen Hof zurückkehren. Mit dem Herzen hatte er auch schon seit langem Probleme. Da hatte ich plötzlich die Lösung für mein Wohnungsproblem: Ich würde auf Onkel Penas Hof in Kuusikangas wohnen und neben meinem Polizeijob anständige körperliche Arbeit leisten. In Arpikylä würde ich in aller Ruhe über die fundamentalen Dinge des Lebens nachdenken können ‐ zum Beispiel über Anttis wiederholte Heiratsanträge, auf die ich immer noch nichts anderes zu sagen wusste als «jetzt noch nicht».
Es verwirrte mich, dass Antti mich heiraten wollte. Wir kannten uns seit gut anderthalb Jahren, hatten ein halbes Jahr zusammengelebt ‐ meiner Ansicht nach hauptsächlich wegen der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt ‐, und seit vier Monaten lag jetzt der Atlantik zwischen uns. Es war viel leichter, in Arpikylä zu leben als in der Wohnung in Helsinki, wo mich alles, vom Geschirr und den Laken angefangen, an Antti erinnerte.
Ich goss noch einmal Wasser auf, es zischte, und Mikko sprang auf die untere Pritsche. Antti nahm das Leben so furchtbar ernst: Deshalb wollte er wohl auch heiraten. Und Kinder haben. Und ich wusste, dass ich Antti liebte, und irgendwann würde ich wohl auch Kinder wollen. Immerhin war ich schon dreißig, die Zeit tickte vorbei und würde nicht für eine Sekunde anhalten, und ich wurde nicht jünger. Aber ich wollte mich weder von der Zeit noch von meinem Alter zu einer Entscheidung drängen lassen, für die ich noch nicht reif war.
Ich goss die letzte Kelle Wasser auf. Jetzt spukte obendrein Johnny in meinem Leben herum. Johnny und Tuija ließen sich scheiden. Auch daran wollte ich nicht denken. Ich schrubbte mich mit einer Wurzelbürste, holte mir etwas von Penas selbst gebrautem, verdächtig starkem Met aus dem Keller, fläzte mich vor den Fernseher und sah mir eine Krimiserie an, in der nordkalifornische Spekulanten sich gegenseitig umlegten.
Am nächsten Tag saß ich mit Ella in der städtischen Kantine, wo wir ein paar Mal in der Woche zusammen aßen. Passenderweise lag die Kantine von ihrem und von meinem Arbeitsplatz ungefähr gleich weit entfernt.
Ella sprach begeistert von der Eröffnung des Alten Bergwerks.
«Hast du eine Einladung bekommen?», fragte sie besorgt. Gute, alte Ella. Ella hätte es immer schon gegeben, als Kinder hatten wir im selben Hof gespielt, und bis auf ein Jahr in der Mittelstufe waren wir wohl immer in der gleichen Klasse gewesen. Gute Freundinnen wurden wir allerdings erst in der Oberstufe. Wir passten beide nicht recht in die Form, die für Kleinstadtmädchen vorgesehen war. Ein Junge aus meiner Klasse, der mich nicht mal mochte, hatte einmal gesagt: «In unserer Klasse gibtʹs zwei Mädchen, die keine
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