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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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noch arbeitete, sich aber keine weiteren Gedanken gemacht. Jetzt war er besorgt: Sollte dieser Eindruck, den er im ersten Augenblick so deutlich gehabt hatte, eine Art Krankheit widerspiegeln, die alle erfaßt hatte?
    „Erzählen Sie bitte“, sagte er.
    Der Raumteiler stand deshalb noch immer hier und hielt auch die Gruppe im Vorwerk fest, weil bisher keine Übereinstimmung in einer wesentlichen Frage hatte erreicht werden können: ob nämlich die Akustik des Raums einen entscheidenden Anteil an der Gesamtwirkung habe oder nicht. Es gab Anzeichen dafür: Wenn man Paravents aufstellte, minderte sich die Wirkung. Wenn man das bewußte Fenster öffnete, verstärkte sie sich. Einen Raum mit gleicher Akustik woanders nachzubauen war jedoch sehr schwierig und vor allem aufwendig, es hätte die Fonds der Gruppe überschritten. Selbst die ausgeklügeltsten Versuche brachten in dieser Hinsicht keine Klarheit. Also hatten sie den Raumteiler noch nicht abtransportiert.
    Statt dessen war etwas anderes allmählich klargeworden: Der Raumteiler und seine psychische Wirkung waren nicht so harmlos-erfreulich, wie es anfangs geschienen hatte. Einer von der Gruppe, der jetzt Fehlende, konnte nämlich ebenfalls im Raumteiler Resonanzen erzeugen, so daß die Gruppe nicht mehr ausschließlich auf die Tonbänder von Sibylle angewiesen war. Er wurde dafür auch von der Resonanz weit stärker beeinflußt als die anderen. Nach ein paar Wochen wurde er nachts vor dem Raumteiler gefunden. Er habe nicht schlafen können, sagte er. Zu diesem Zeitpunkt war er schon – süchtig; ja süchtig, wiederholte die Akustikerin, so seltsam es klinge, und weil dieser Gedanke so absurd erscheine, habe auch zunächst niemand bemerkt, daß der Kranke seine Sucht zu verbergen suchte, einfach wie jedermann eine Erkältung oder sonst etwas Unangenehmes überspielt, um die andern nicht damit zu belästigen. Die Tätigkeit, die Versuche am RT, stillten ja auch täglich seine Sucht, und sie fiel erst dann auf, als sie jedes Maß überstieg; da aber war es schon zu spät. Jetzt, sagte die Berichterstatterin, sei er zu einer Entziehungskur, es sei sehr schwierig, man müsse ihn einschließen, einmal sei er schon ausgerissen und plötzlich hier aufgetaucht, Besserung trete nur sehr zögernd ein.
    „Und auf Sie selbst haben die Resonanzen keinen Einfluß?“ fragte Wenzel.
    „Wir haben uns seit einer Woche von diesen Resonanzen ferngehalten“, sagte die Akustikerin langsam, „wir betrachten nur ihre grafischen Darstellungen, das genügt ja auch für unsere Arbeit. Aber wir möchten alle den Raumteiler gar zu gern singen hören. Ich glaube, ganz unbeeinflußt sind auch wir nicht.“
    „Wäre es da nicht an der Zeit, diesen gefährlichen Gegenstand unter Verschluß zu nehmen? Also in einem Labor oder so?“
    Einige der Anwesenden verzogen die Gesichter, der Gedanke gefiel ihnen nicht. Andere beherrschten sich besser, darunter auch die Akustikerin, aber ihre Stimme war nicht ganz fest, als sie nun sagte: „Und wenn er dann nicht mehr funktioniert?“
    Es fanden sich Stimmen, die sie mit Argumenten unterstützten.
    „Immerhin ist dies ein einmaliges Zusammenspiel von handwerklicher Kunst und produktivem Zufall, das sich so schnell nicht wiederholen dürfte.“
    „Heil und Unheil sind oft in einem neuen Ding – unsere Sache ist es doch gerade, das eine vom andern zu trennen!“
    „Zumal der Mann ja tot ist und keine Aufzeichnungen hinterlassen hat, wie er das gemacht hat!“
    Sie waren sehr eifrig im Auffinden von Argumenten. Wenzel aber wurde sich seiner Vermutung mit jedem Argument sicherer, er wußte nur noch nicht, wie er vorgehen sollte. Da fiel ihm auf, daß die Akustikerin sehr schweigsam geworden war, und der Psychologe hatte überhaupt noch kein Wort gesagt.
    An die beiden wandte sich Wenzel nun. „Sie haben die Aufzeichnungen, und sie haben den Raumteiler. Wenn Sie ihn woanders aufbauen, muß es doch möglich sein, wenn nicht die volle Wirkung, so doch einen großen Teil davon wiederherzustellen. Ich glaube aber, Sie wollen das nicht. Ich glaube, Sie sind selbst schon ein wenig süchtig.“
    Plötzlich schwiegen alle. Dann sagte jemand kraftlos: „Na wissen Sie…“ Und nun erhob sich der Psychologe. „Er hat ja recht“, sagte er, „wir sind’s wirklich, geben wir’s doch zu. Wir sehen uns jetzt vor, aber wenn wir noch ein halbes Jahr damit zubringen, sind wir genauso weit wie unser kranker Kollege. Er war eben nur anfälliger. Jeder von uns

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