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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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weil es mit der Sache, die all seine Kräfte in Anspruch nahm, nichts zu tun hatte. Aber eben, daß hier vorwiegend Leute lebten, deren gesamte Kräfte von einer einzigen Sache, nämlich ihrer Wissenschaft, in Anspruch genommen wurden, machte schon den ersten großen Unterschied aus. Handwerk war der Wissenschaft zugeordnet, Kunst diente vorwiegend der Unterhaltung und Entspannung und wurde nur ausgeübt, wenn die Wissenschaft Zeit dazu ließ. Hinzu kam, daß ein großer Teil der Bewohner nomadisierte: Zeitweise lebten sie in Gagarin, zeitweise hier im Städtchen. Das hatte gewisse allgemeine Folgen für die Lebenskultur: Die Leute unterschieden sich weniger durch Kleidung, Eßgewohnheiten, Ausgestaltung der Wohnungen und andere individuelle Äußerlichkeiten, um so mehr jedoch in Wissen, Vorstellungskraft, geistiger Reichweite, Debattierfreudigkeit und anderen Merkmalen der inneren Kultur. Das folgte unmittelbar aus dem Überwiegen des Dienstes bei den Arbeiten – man tauschte eben eher und leichter wissenschaftliche Informationen aus als Handwerkserzeugnisse oder Kunstwerke, die nicht im gleichen Maß produziert wurden.



Deshalb fehlte zum Beispiel dem Mobiliar, in dem Sibylle und Wenzel lebten, diese Einmaligkeit, die sich sonst aus Ererbtem, Ertauschtem und Selbstgeschaffenem ergibt. Eine Ausnahme bildeten nur Tisch und Stühle aus dem Haus im Vorwerk. Sonst war alles zwar nicht häßlich, aber nüchtern, und Wenzel gefiel das, zum Teil wohl, weil ihm in Sibylles Nähe alles gefiel, zum Teil aber auch, weil er vorher viel auf Reisen gewesen war und sich ohnehin an das Wohnen in Hotels oder anderen zeitweisen Unterkünften gewöhnt hatte.
    Ein paar Monate Seßhaftigkeit hätte Wenzel sich also gewünscht, doch über das Berliner Büro – oder richtiger: über dessen Informationsautomatik – erhielt er eine Anfrage der Gruppe, die immer noch im Vorwerk den Raumteiler untersuchte. Diese Gruppe konnte aus irgendeinem Grund nicht zu einem befriedigenden Abschluß kommen und bat um seinen Besuch.
    Eigentlich hätte Wenzel nicht zu fahren brauchen; er hatte den Auftrag ordnungsgemäß erteilt, und für seine Sache würden sich daraus wohl kaum neue Aspekte ergeben. Aber er konnte erstens nichts von alldem, was sie angeregt hatten, als abgeschlossen betrachten, die Forschungen würden ja auch später weitergehen, jetzige Ergebnisse waren mit ziemlicher Sicherheit vorläufig. Zweitens hatte dort, im Vorwerk, alles begonnen, und drittens war der Raumteiler ja ein Erbstück für Sibylle, und viertens wartete die örtliche Ratgeberin gewiß darauf, über das Haus verfügen zu können, und fünftens…
    Wenzel fuhr.
    Über dem Vorwerk lag spätsommerliche Hitze. Der Busch sah dunkelgrün aus, hier und da schon mit einem braunen Schimmer. Wenzel meldete sich bei der Ratgeberin, die sich freute, ihn wiederzusehen, aber auch gleich fragte, wann das Haus endlich frei werde, die meisten Möbel hätten Mohrs Kinder schon abgeholt, ein Ensemble – Tisch und Stühle – sei nach Sternenstadt gegangen…
    „Jaja, ich weiß“, warf Wenzel ein, „von dort komme ich gerade, und viele Grüße, und hier werden wir mal sehen, was wir machen können.“
    In Mohrs Haus hatte sich die Gruppe angesiedelt, die den Raumteiler erforschte. Da Wenzel seine Ankunft angekündigt hatte, saßen sie alle beisammen und erwarteten ihn, und sofort, als er eintrat, schien es ihm, als sähen sie alle gleich aus. Dabei waren es ganz unterschiedliche Menschen, und sie waren sich kein bißchen ähnlich: eine etwa fünfzigjährige Akustikerin, die für die Gruppe das Wort führte, ein ziemlich alter Psychologe, zwei junge Laboranten, eine Elektronikerin Mitte Dreißig, von der sich später herausstellte, daß sie und Wenzel einen gemeinsamen Bekannten aus dem Handwerk hatten. Als er nun jeden einzelnen begrüßte, mit Handschlag und ein paar freundlichen Worten, verlor sich der Eindruck, aber als sie sich auf einfachen Klappstühlen im Kreis gegenübersaßen, merkte Wenzel, daß alle Gesichter von Erschöpfung gezeichnet waren, oder nein, eher von Enttäuschung, aber das traf es auch nicht ganz, also abwarten, irgendwie mußte sich das ja klären im Gespräch.
    „Einer ist krank“, sagte die Akustikerin, „sonst sind wir vollzählig.“
    „Tut mir leid, was fehlt ihm denn?“
    „Was uns allen fehlt: ein Resultat.“
    Das war ziemlich bitter. Wenzel wurde nun sehr aufmerksam. Beim Herflug hatte er sich ein wenig gewundert, daß diese Gruppe immer

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