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Kurt Ostbahn - Peep- Show

Kurt Ostbahn - Peep- Show

Titel: Kurt Ostbahn - Peep- Show Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Kapitel 1:
    »Der Hut brennt«
    Als der Trainer endlich die Meidlinger Mansarde betritt, schlägt das nervöse Magengrimmen wieder voll durch. E. hat ihn während der ganzen Zugreise von Graz nach Wien begleitet, wurde aber auf der Fahrt vom Südbahnhof zu seiner bescheidenen Bleibe von einem pochenden Kopfschmerz überlagert. Was mit der Kopflosigkeit zu vieler Mitmenschen zu tun hat.
    Der Trainer stieg am Parkplatz vor dem Bahnhofspostamt in seine froschgrüne Rostlaube. Er warf den Motor an und stand, kaum der Parklücke entronnen, bereits im Stau. Damit fing das Pochen an.
    Montagmorgen. Sehr früher Morgen. Und das am Wiener Gürtel. Da hockt der Verkehrsteilnehmer triefäugig und nicht ausgeschlafen in seiner rollenden Einzelzelle, und man überbietet einander im Fällen falscher Entscheidungen. Wer die meisten Fehler macht, darf am lautesten hupen. Und wer seinen Montagmorgen-Grant nicht unter Kontrolle halten kann, springt aus seiner Kiste, um andere mit ausgestrecktem Mittelfinger einen krummen Hund zu heißen. Was gelegentlich auch zum Schußwechsel mit tödlichem Ausgang führt.
    Nicht so an diesem Montagmorgen. Schade. So ein schönes großkalibriges Krachen hätte seinen Kopfschmerz auf der Stelle weggeblasen. Und der Trainer hätte sich im Stau auf seinen nervösen Magen konzentrieren können.
    ***
    Jetzt wirft er unter schneidenden Schmerzen einen Blick auf den Anrufbeantworter und sieht alle bösen Vorahnungen bestätigt. Das rote Lämpchen blinkt ohne Unterlaß. 14 Botschaften haben ihn seit seiner überstürzten Abreise nach Graz am Freitag nachmittag erreicht. 14 Botschaften, die ihn daran erinnern, daß man sich als leitender Mitarbeiter eines Rock’n’Roll-Mittelbetriebes nicht einfach gruß- und kommentarlos übers Wochenende in die steirische Landeshauptstadt abseilen kann, um dort seine Herzensangelegenheiten ins reine zu bringen. Was ohnedies nicht gelungen ist. Ganz im Gegenteil. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Übrigens, der Trainer ist kein Mann des Sports. Er trainiert weder spindeldürre Eiskunstläuferinnen noch ganzkörpertätowierte Freistilringer. Seine Trainertätigkeit hat auch nichts mit dem deutschen Schäferhund oder mit esoterischen Reinkarnationsseminaren zu tun. Der Trainer steht vielmehr im Sold einer Rock’n’Roll-Band nicht ganz zeitgemäßen Zuschnitts, die ihm aber immerhin ein bescheidenes Auskommen ermöglicht. Was genau in seiner Dienstbeschreibung stehen würde, wenn er sowas hätte, weiß eigentlich kein Mensch. Bekannt ist nur, daß er ein historisch wertvolles Tonträgerarchiv sein eigen nennt, das seinen Arbeitgeber, den Dr. Ostbahn, seit vielen Jahren schon auf so manche musikalische Idee bringt. Außerdem ist er im Prinzip verläßlich, pünktlich und gewissenhaft. Ein Arbeitstier, ein Zwangsarbeiter.
    Aber seit in diesem Frühjahr die Bäume wieder ausschlagen und der Flieder wieder blüht, gehen mit ihm emotional die Pferde durch. In Richtung Grazer Altstadt, Buchhandlung »Springer«, um genau zu sein, Sachbuchabteilung im ersten Stock. Dort hat er vor drei Wochen nach einem Bildband über toltekische Ausgrabungen in der nordmexikanischen Provinz Chihuahua gesucht, nichts gefunden, aber dafür sein Herz an die ebenso kompetente wie liebreizende Buchhändlerin verloren. Sie heißt Romana. Und der Trainer, immerhin ein Mann jenseits der Lebensmitte, der in Liebesangelegenheiten sein Pinkerl zu tragen hat, ertappt sich seit dieser ersten Begegnung immer wieder dabei, wie er sich leise ihren Namen vorsagt, dabei die Augen schließt und sich von einer Welle von Frühlingsgefühlen fortspülen und mitreißen läßt.
    Dermaßen aufgewühlt, schleichen sich vermehrt kleine Schnitzer und Pannen in die Trainerarbeit ein. Sogar das traditionelle tägliche Telefonat mit dem Kurt Ostbahn (Trainer: »Wia is die Lage?« - Ostbahn: »Eh. Und selbst?«) hat darunter zu leiden. Dabei hätten sich die beiden momentan eigentlich viel zu erzählen. Über die Planung eines neuen Albums mit der Kombo, zum Beispiel. Oder über Ostbahns Bildungsreise ins ferne Arkadien. Der Herr Rock’n’Roll-Doktor will nämlich in den Sümpfen von Süd-Louisiana die Originalrezeptur von Red Hot Gumbo und Jambalaya sowie die Wurzeln des Favorit’n’Blues erforschen. Ein ehrgeiziges Soloprojekt, bei dessen Vorbereitung die musikhistorische Kompetenz des Trainers gefragt wäre. Aber der ist in den letzten Wochen entweder telefonisch überhaupt nicht erreichbar oder aber nicht bei der

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