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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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gestimmt war, dann kam sie alsbald als britische Forscherin wieder, entdeckte das Geheimnis der Pyramiden und erlöste den kleinen Stefan nach dreitausend Jahren von seiner Pein.
    Einmal war Cleopatra ganz besonders grausam. Das war kurz nach Stefans Polypenoperation, im Sommer bevor er mit der Schule anfangen sollte, dann aber wegen seines Sprachfehlers für ein Jahr zurückgestellt wurde. Wohl weil er Iris wieder einmal ganz besonders auf die Nerven gegangen ist, hat sie ihn den halben Tag in seiner Grabkammer leiden lassen und ganz einfach auf ihn vergessen. Der Opa hat ihn schließlich kurz vor dem Abendessen gefunden, wimmernd und am ganzen Körper zitternd, in nassen Leichentüchern und mit voller Hose.
    Von diesem Tag an wußte Iris, wie sie dem kleinen Bruder Angst einjagen, ihn zum Schweigen bringen und ihn gefügig machen konnte, ohne daß der Rest der Familie Wind davon bekam. Ihr Terrorregime begründete sich auf einem Stehsatz, den Papa und Stiefmama lustig fanden, der für den kleinen Stefan jedoch den blanken Horror signalisierte:
    „Cleopatra an Hosenscheißer: Bitte melden!“
    Daß Stefan Fabian zu einem verschlossenen jungen Mann mit, sagen wir, zumindest ungewöhnlichen Neigungen herangewachsen war, erkannte Iris erst, als er sie irgendwann im Herbst 1995 anrief, weil er erfahren hatte, daß sie mit Frido Knapp im Haus der Großeltern in der Auhofstraße zusammenlebt. Stefan bat um eine Privataudienz bei Frido, seinem Idol, und als ihn Iris zu einem gemeinsamen Abendessen einlud, brachte er seine komplette Sammlung von Knappbüchern, Postern und Bildern mit, die der Meister signieren und mit einer persönlichen Widmung versehen mußte.
    Der Knapp mokierte sich danach immer wieder über seinen „größten Fan“, den diese Begegnung dermaßen aufgewühlt hat, daß er den ganzen Abend keinen zusammenhängenden Satz über die Lippen brachte und mit hochrotem Kopf Knapps aufgeblähten Schnurren und Anekdoten aus seinem fetischistischen Fotoalltag lauschte.
    Bald danach hatte Stefan Geburtstag, und weil sich der Knapp gern auf Kosten anderer amüsiert, dachte er sich für den verklemmten Knaben eine ganz besonders tolle Überraschung aus: Iris’ Stiefbruder durfte an der Seite seines Idols einer Fotosession im Kelleratelier beiwohnen. Devote Knaben in Lack, strenge Damen in Leder. Oder umgekehrt. Doch das Geburtstagskind blieb seiner eigenen Party fern. Unentschuldigt und ohne Angabe von Gründen.
    „Der Stefan hat am 27. November Geburtstag“, sagte Iris. „Haberlgasse“, sagte ich. „27. November 95.“
    „Sein zweiter Mord“, sagte Brunner. „Auch eine Möglichkeit, seinen Geburtstag zu feiern.“
    Endlich ist das Thema Großeinsatz im einstmaligen Fit & Fun auch mit allen übrigen Gästen ausführlich besprochen, und die servierende Plaudertasche findet Zeit, Brunners Salamipizza mit extra Pfefferoni aufzutragen.
    „Was mich interessiert, Frau Fabian“, sagt der Kriminalpensionist und säbelt am angekokelten Teigrand seiner Pizza herum. „Wie sind Sie heut in der Früh eigentlich in seine Wohnung gekommen, wenn der Stefan nicht daheim war?“
    „Mit meinem Schlüssel.“
    Brunner stellt das Säbeln ein, schaut kurz von seiner Pizza auf und wirft mir einen Blick zu, der nur bedeuten kann, daß es nun an mir liegt, die richtige Frage zu stellen.
    „Du hast einen Schlüssel zu seiner Wohnung?“ frage ich.
    Iris nickt.
    Brunner säbelt zufrieden weiter an seinen Pizzarändern.
    Iris leert ihr Glas in einem Zug.
    „Den hat er mir geschickt“, sagt sie dann. „Nach Hermannschlag. Schon vor einem halben Jahr. Mit einer kurzen Botschaft, aus der ich damals nicht schlau geworden bin. Ich weiß den genauen Wortlaut nicht mehr, aber sinngemäß stand da: Sollte man Dir, liebe Iris, eines Tages Fragen über Deinen Stiefbruder stellen, dann wirst Du hier die Antworten finden.“

39
    „Ich hab garned gwußt, daß Sie schon einmal in Mexiko waren“, sagt der Herr Josef und stellt das kleine Bier und den großen Fernet vor mich auf die Theke.
    „Ich auch nicht“, sage ich. Und will eigentlich nicht über fremde Länder reden, sondern nur in Ruhe trinken, bis sich die nötige Bettschwere einstellt.
    Es war ein harter Tag heute. Und mir gehen Dinge durch den Kopf, die – wie Brunner vorhin zum Abschied sicherlich tröstend gemeint hat – schon Ausgeschlafenere als wir es sind ins Koma gebracht haben.
    „Aber da steht’s. Schwarz auf weiß“, redet der Herr Josef weiter und holt unter

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