Hexensturm
Kapitel 1
Z uhause.
Da war es, endlich – und es wartete auf uns. Unser Haus mit seinem Rauchfähnchen aus dem Schornstein und den vielen bunten, glitzernden Lichtern an der vorderen Veranda. Von der Zufahrt aus sah ich die dreistöckige viktorianische Villa strahlen wie einen Leuchtturm, auf der physischen wie auf der Astralebene. Energie züngelte stoßweise daraus empor wie von Sonnenflecken. Ich lehnte mich lächelnd im Autositz zurück. Zuhause. Unsere sichere Zuflucht vor den Dämonen.
Ein Drache aus Schnee beschützte den Vorgarten und die Auffahrt. Klar und weiß ragte er aus den Schneewehen auf, die sich im Garten aufgetürmt hatten. Meine Kräuterbeete verbargen sich darunter und warteten, in Mulch gekuschelt, auf das Frühjahr. Der Winter hatte das Land fest im Griff, und wir bekamen seine volle Härte zu spüren. La Niña tobte sich aus, und wir alle waren nichts als ihr Spielzeug. Wenigstens war es diesmal nicht Loki. Der nordische Riese hatte uns letztes Jahr unnatürliche Mengen von Schnee und Eis gebracht, bis wir seinen Diener, einen Vampir namens Dredge, endlich ausgeschaltet hatten.
Doch so kalt es hier sein mochte, das war gar nichts gegen die Nordlande, von wo ich gerade zurückkam. Dort, in den kahlen Höhen auf dem Dach der Welt, tobten eisige Stürme durch die winterlichen Wälder, rüttelten an den Stämmen und ließen Lawinen die Berghänge hinabdonnern.
Oben in den Nordlanden war das Leben hart und oft kurz, und Feuer war kostbar und unentbehrlich. Die Nordmänner waren so stoisch, wie man sie sich vorstellte, ihre Partys zünftig – jeder Tag konnte der letzte sein, wenn man tagtäglich in solcher Gefahr lebte.
Smoky, Iris, Rozurial und ich hatten uns durch die Wälder geschlagen, immer höher hinauf zur Höhle von Wolfslied, dem Elementarfürsten des Schnees. Auf diesem Weg war ich mehr als einmal sicher gewesen, dass wir als Eiszapfen enden würden, an den Felsen festgefroren.
Doch die Reise war alle Mühe wert gewesen. Iris hatte mit ihrer Vergangenheit aufgeräumt und sich eine Zukunft geschaffen. Sie galt jetzt als unschuldig und war frei, den Mann zu heiraten, den sie liebte. Aber dafür hatte sie die Hölle durchgemacht, und nun stand sie genau wie ich vor einem Weg, der sie zu verschlingen drohte. Sie wusste nicht, ob sie schon stark genug war, die Aufgabe zu schultern, die ihr aufgezwungen wurde. Und als Zeichen dieser Veränderungen trug sie jetzt schicke – na ja, wunderschöne – indigoblaue Tätowierungen, die sich über ihre Stirn, ihre Wangen und dann den Rücken hinab schnörkelten. Ihre Göttin hatte sie gezeichnet, und das ausgesprochen schmuckvoll. Anscheinend gefiel es den Göttern, uns mit himmlischer Tinte zu markieren.
Der Wagen hielt, und Delilah stellte den Motor ab. Die Müdigkeit der vergangenen Monate schnürte mir die Kehle zu, als ich die Beifahrertür öffnete. So viel war geschehen, und doch stand uns noch so viel bevor. Es war gerade einmal eine Woche bis Mittwinter, dem Tag meiner Aufnahme an Aevals Hof. Ich würde mich freiwillig in die Hände der Dunklen Königin begeben, um ihre Magie und die Künste einer Priesterin zu lernen.
Ich seufzte tief und stieg aus dem Jeep. Ein frischer Wind fegte durch die Nacht, und ich zog meinen Umhang – Elfenhandwerk – fester um mich. Darunter trug ich den Umhang des Schwarzen Tiers, doch beide zusammen vermochten nichts gegen die Kälte auszurichten, die sich in meinen Knochen festgesetzt hatte. Ich fragte mich, ob ich es je schaffen würde, sie abzuschütteln und wieder Wärme zu spüren.
»Alles in Ordnung?« Delilah schlang mir einen Arm um die Schultern. Sie hatte uns bei Großmutter Kojotes Portal abgeholt, und im Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als ein heißes Bad, ein weiches Bett und reichlich Schlaf. Smoky hüpfte vom Rücksitz und half Iris herunter, während Roz langsam auf der anderen Seite ausstieg.
»Du bist eine gute Schwester«, sagte ich und lehnte mich an sie. »Ich bin nur müde. Die Reise war anstrengender, als ich erwartet hatte. Es war kalt – so kalt. Und da waren Eisspinnen …«
»Igitt.« Sie rümpfte die Nase. »Wie ist es gelaufen? Hat Iris …?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das sollte sie euch selbst erzählen, aber ja. Sie ist noch bei uns, und Vikkommin ist wahrhaftig tot. Sie hat es überlebt und den Fluch gebrochen. Aber die Nordlande sind grauenhaft. Ich könnte mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als dort festzusitzen. Ein tropisches
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