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Kurtisanen leben gefaehrlich

Kurtisanen leben gefaehrlich

Titel: Kurtisanen leben gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Natascha Weber
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mit ihrem Attribut, dem Stab der unermüdlichen Wanderin, über dem Eingangsportal. Sie sah aus funkelnden, blauen Saphiraugen auf das Treiben zu ihren Füßen. Wie seltsam musste es ihr erscheinen? All die Dekadenz, all der Reichtum, der sich unter ihr erstreckte. Unter der Frau, die rastlos durch die Welt gewandert war, um den Kranken und Bedürftigen zu helfen.
    Ohne einen Blick an meine Umgebung zu verschwenden, imitierte ich die Pose der Artista, die hochmütig alles um sich herum ignorierte. Und so begannen wir den Aufstieg über die Stufen Santa Filomenas. Ein Adeliger, der nicht schnell genug unseren Weg verlassen hatte und sich anschickte, einige rüpelhafte Bemerkungen auszustoßen, schluckte sie sofort mit blass gewordenem Gesicht. Er trat eilends zur Seite, nachdem er sich einen vernichtenden Blick Beatrices eingefangen hatte, der selbst Stein durchbohrt hätte. Ich verbiss mir das Lachen, das in meiner Kehle aufsteigen wollte, und richtete meine Augen stur geradeaus auf die offenstehenden Flügeltüren. Nur noch wenige Schritte trennten uns vom Innenraum der Kathedrale.
    Der Mantel, der zuvor die Sonne von meiner Haut abgehalten hatte, verhinderte nun, dass ich in der schattigen Kälte der Kirche zu frösteln begann. Ich genoss die heilig anmutende Stille des hohen Bauwerkes, von dessen Kuppel mich der blaue Himmel mit Edeas Heiligen anlachte. Ein beschwichtigendes Gefühl der Ruhe ergriff mich. Die Nervosität und die Anspannung fielen von mir ab, während wir die Empore hinaufstiegen, auf der die Fürstin und ich unseren Platz fanden.
    Überwältigt sah ich auf die langen Reihen der geschnitzten, hölzernen Bänke hinab, die sich mit den Gästen der Hochzeit füllten. Ich bewunderte die bunten Glasfenster, die vielfältige, farbige Muster auf den Marmorboden warfen, wenn das Licht darüber spielte. Am Altar erkannte ich, vor den gemalten Szenen des Edea Zyklus, die aufgeklappt worden waren, um die volle Pracht der alten Ölfarbe auf dem Holz zu zeigen, die Statue der schönen Göttin. Sie sah mit weit geöffneten Armen liebevoll auf ihre Kinder hinab. Voller Faszination und von den Düften der aromatischen Kräuter, mit denen der Innenraum ausgeräuchert worden war, ein wenig benommen, bemerkte ich kaum, wie die Zeit verging. Nur am Rande nahm ich wahr, dass sich die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt hatte.
    Ein kalter Schrecken durchfuhr mich, als die ersten Töne der Musik erklangen. Die Menschen auf den Bänken verstummten, als Pascale Santorini an der Seite seiner Gemahlin, der stets kränklich wirkenden Giulia, und mit seinen beiden kleinen Töchtern die Kirche betrat. Jeder wusste, welche Enttäuschung seine Familie für den stolzen Fürsten darstellte, war ihm doch ein Sohn verwehrt geblieben.
    Ihre Schritte verhallten kaum hörbar auf dem weichen Teppich und sie knieten vor dem Altar nieder. Der Priester sprach eine feierliche Segnung in der heiligen Sprache für das Wohl des Fürsten und seiner Familie aus, die ich grimmig zur Kenntnis nahm, obgleich ich sie nicht verstand. Als Kurtisane war es mir nicht erlaubt gewesen, die heilige Sprache zu erlernen, auch wenn ich alle anderen Freiheiten besessen hatte. In Terrano ging man mit der Vergabe eines solchen Rechtes nicht leichtfertig um.
    Als die ersten Gesänge ertönten, deren Klang direkt aus den Himmelsphären zu stammen schien, erhob sich die Fürstenfamilie. Sie stiegen zu ihrer eigenen Empore hinauf, die der unseren gegenüberlag. Ich fing einen düsteren, hasserfüllten Blick auf die Fürstin von Orsanto auf, deren Erscheinen Pascale Santorini nicht beglückte. Die Luft knisterte nahezu in der Spannung zwischen den Parteien. Ich wandte meine Augen von dem Geschehen ab, um nicht die Aufmerksamkeit des Fürsten auf mich zu ziehen, bevor die Zeit dazu gekommen war.
    Suchend ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen, bis sich mir ein Anblick bot, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dort vorn, ein wenig abseits von der ersten Reihe der Bänke, erblickte ich im Schatten meine eigene Zwillingsschwester. Ich erkannte die schwarzen Locken, die man ihr so untypisch aufgesteckt hatte, und den schlanken Körper, der athletischer gebaut war, als der meine und den man in das Kleid einer Kurtisane gesteckt hatte.
    Es gelang mir nicht, einen erschrockenen Laut zu unterdrücken, als ich sie dort stehen sah, die Hände auf den Rücken gebunden und dunkel gekleidete Wachen ganz in ihrer Nähe.
    Die Artista an meiner Seite streckte

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