Kurtisanen leben gefährlich
Giorgio Santi bei einem Angriff auf meinen Vater fehlging. Er durchbohrte stattdessen Gemma Santorini, die sich zwischen die beiden Männer geworfen hatte, und ihr ungeborenes Kind, mit seiner Klinge.
Ich weiß nur wenig über die weiteren Geschehnisse an diesem Abend. Die Klinge meines Vaters traf schließlich Santis Leib und streckte ihn nieder. Es war unausweichlich, denn er hätte als Mörder einer Artista ohnehin nicht mehr lange zu leben gehabt. Der damalige Fürst, mein Großvater, erfuhr von dem Duell und er half seinem Sohn und seiner Geliebten, die Wahrheit vor den neugierigen Augen der Welt zu verbergen. Doch mein Vater musste für seine Taten bezahlen.
Der Anspruch auf den Fürstenthron von Ariezza war für ihn erloschen und Pascale, damals nicht mehr als ein Kind, wurde der nächste Thronfolger der Santorini. Der Preis mochte für ihn geringer erscheinen als die Aussicht, Beatrice ganz zu verlieren, doch es war ein hoher Preis für das Volk von Ariezza. Und ich habe einen Platz eingenommen, der nicht der meine war. Für die Welt bin ich der Sohn der Gemma Santorini, die bei meiner Geburt gestorben ist. Es ist die große Lüge meines Lebens. Ich habe den Platz des legitimen Nachfolgers meines Vaters eingenommen, dabei bin ich nur sein Bastard.«
Andrea Lucas Gesicht war bitter geworden. Ich wagte es nur zaghaft, mich ihm zu nähern, um die dunklen Wolken von seinen Zügen zu vertreiben. Seine Erzählung brachte Licht in das Dunkel um die Gründe für Pascale Santorinis Herrschaft über Ariezza.
Alle Welt glaubte, dass Sante Santorini zugunsten seines jüngeren Bruders freiwillig auf den Fürstenthron verzichtet hatte. Die Motive dafür waren nicht bekannt. Man munkelte, dass es ihm lieber sei, sich um die Weinberge der Familie zu kümmern, als über das Land zu herrschen. Und es war ein offenes Geheimnis, das er selbst gerne und oft dem Saft der Trauben zusprach. Zumindest Letzteres erschien mir nicht mehr unerklärlich, nun, da ich die traurige Geschichte seines Lebens kannte.
Es dauerte eine Weile, bis Andrea Luca zu mir zurückkehrte. Seine Brust hob und senkte sich in einem tiefen Atemzug, dann ließ er den Atem aus seinen Lungen entweichen. Er lächelte verzerrt und neigte seinen Kopf zur Seite, um mich anzusehen.
»Nun kennst du das Geheimnis, von dem nur fünf Menschen auf dieser Welt wissen, Lukrezia. Andrea Luca Santorini ist der Bastardsohn von Beatrice Santi und Sante Santorini. Eine erstaunliche Entdeckung, nicht wahr?«
Trotz der betont gleichgültigen Fassade, die Andrea Luca zur Schau trug, konnte ich spüren, wie aufgewühlt er war und ich bemerkte die Unsicherheit, die wohl jeder mit sich tragen musste, der ein solches Geheimnis verbarg.
Seinen Ursprung an eine Kurtisane zu verraten war ein großes Risiko, dessen er sich vollkommen bewusst sein musste und es ließ nur wenige Schlüsse zu. Entweder würde er mich töten müssen, das Wissen benutzen, das er über mich haben mochte, um mich zum Schweigen zu bringen oder er vertraute mir. Letzteres war die wahrscheinlichste Aussicht.
Ich seufzte leise und schüttelte über meine Überlegungen den Kopf, dann richtete ich meinen Blick auf Andrea Luca, beantwortete seine Frage jedoch nicht, sondern küsste ihn einfach, um seine Zweifel zu zerstreuen.
Als wir uns voneinander lösten, hatte Andrea Luca sich beinahe wieder gefasst. Ein schmales Lächeln zeigte sich auf den vollen Lippen. Er zupfte an meinem Nachthemd und hob dann eine Augenbraue.
»Meine Mutter hat also dafür gesorgt, dass du deine eigenen Kleider bekommen hast. Ich hoffe, sie hat dich nicht zu sehr erschreckt.«
Er zwinkerte mir zu, eine Geste, die möglicherweise nicht seine klügste Wahl war, erinnerte sie mich doch an einige Kleinigkeiten, die ich in meiner Wiedersehensfreude und den darauf folgenden Enthüllungen vergessen hatte.
Er hatte mich ohne Vorwarnung in die Arme Beatrice Santis geschickt und dabei sehr genau gewusst, was mich in ihrem Palazzo erwartete. Wütend wich ich ihm aus, als er eine Hand nach mir ausstreckte, und funkelte ihn verärgert an.
Er musterte mich, als hätte ich den Verstand verloren und öffnete den Mund, um mir eine Frage zu stellen. Ein Vorhaben, das von meiner scharfen Stimme im Keim erstickt wurde.
»Oh ja! Sicherlich hattest du sehr viel Spaß daran, mich zu diesem Haus zu schicken, ohne vorher auch nur anzudeuten, was mich dort erwartet! Hat sie dich darüber auf dem Laufenden gehalten, wie ich mich gehalten habe, als ihre
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