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Kurtisanen leben gefährlich

Kurtisanen leben gefährlich

Titel: Kurtisanen leben gefährlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Natascha Weber
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mich in meinem Haus aufzusuchen.
    Die Bilder der Erinnerung tanzten durch meinen Kopf und ich seufzte wehmütig. Es schien so lange her. Damals war Andrea Luca nicht mehr für mich, als ein Teil meiner Arbeit. Ein Mann, der mich als Schmuck an seiner Seite zur Schau tragen wollte. Und was war nun daraus geworden? Hatte er Gefühle für mich oder wollte er sich nur etwas, das er als sein Eigen empfand, nicht mehr nehmen lassen? Er hatte niemals über Gefühle gesprochen, wenn wir zusammen waren und auch ich hatte es nicht getan. Vielleicht hatten wir beide befürchtet, dem anderen zu viel zu offenbaren.
    In Terrano wurde man dazu erzogen, niemandem zu vertrauen, wenn er nicht zur eigenen Familie gehörte und manchmal barg selbst die Familie Gefahren für Leib und Leben. Selbstverständlich galt dies nicht für alle Schichten. Die einfachen Leute verschwendeten keinen Gedanken an die Ränkespiele der Großen und Mächtigen. Dazu hatten sie bei ihrer täglichen Arbeit ohnehin keine Zeit. Intrigen und Ränke wurden nur dann geschmiedet, wenn die Betroffenen genug Muße dazu hatten und nicht an jedem Tag um ihr Überleben kämpfen mussten. Es sagte vieles über den Adel und sein tägliches Leben aus.
    Auch Kurtisanen lernten schnell, sich mit der Kunst der Intrige zu befassen. Einige fielen ihr früher oder später zum Opfer, wenn sie nicht auf ihre Schritte achteten. Andere perfektionierten sie beinahe über den Bereich des Möglichen hinaus, um nicht unterzugehen und dem Vergessen anheimzufallen. Das Vergessen war der Feind einer jeden von uns. Wenn man uns vergaß, hörten wir auf zu existieren, dazu verdammt, von nun an in den Schatten zu wandeln und kaum mehr von jenen wahrgenommen zu werden, zu deren Kreis wir einst gehört hatten.
    Schritte, die sich über den Sand näherten, unterbrachen meine Gedanken und ich blickte erschrocken auf. Es dauerte einen Augenblick, bis ich die Gestalt, die vor mir stand, erkannte, denn ich musste gegen die Sonne blinzeln und zuerst erschien mir alles schwarz und schattig. Als ich wieder klar sehen konnte und sich die Schatten verzogen hatten, stand Enrico, der Bootsmann der Promessa, vor mir, um mich, wie ich annahm, zu den Booten zu bringen, die sicher in Kürze zum Schiff zurückkehren würden. Ich mochte diesen Mann nicht. Er war grausam und handelte zu brutal und mit zu großer Freude daran, wenn es etwas zu bestrafen gab.
    Enrico, von den anderen meist nur Rico gerufen, war nicht sehr groß, besaß jedoch feste und gut ausgebildete Muskeln, mit denen er so manchen Bären in die Knie zwingen konnte. Seine Wangen erweckten selbst nach einer Rasur noch den Anschein eines Bartes und er hatte sein dunkles Haar lang wachsen lassen.
    Mir gefiel das Grinsen nicht, das sein Gesicht überzog, während er mich wortlos anstarrte, erhob mich aber dennoch, um mich auf den Weg zu machen.
    »Ich nehme an, es ist an der Zeit zurückzukehren, Enrico? Dann sollten wir die anderen nicht warten lassen.«
    Ich wollte ohne ein weiteres Wort an ihm vorübergehen, doch seine Hand schloss sich um meinen Arm und hielt mich auf. Ich drehte mich mit einem wütenden Blick zu ihm um, der strafend wirken sollte, jedoch lediglich sein Grinsen noch breiter werden ließ.
    »Nicht so schnell, kleine Señorita. Wer wird denn einfach so weglaufen?«
    Sein Lachen war widerwärtig und von einer beängstigenden Freude erfüllt. Er zog mich an sich und hielt mich mit unerbittlichem Griff fest. Ich wehrte mich und schlug nach ihm, aber meine Bemühungen beeindruckten ihn nicht.
    »Signore Verducci wird das, was Ihr hier tut, nicht gutheißen! Ihr mögt der Bootsmann sein, aber das bedeutet nicht, dass Ihr selbst vor Strafen sicher seid!«
    Dröhnendes Lachen schüttelte den sehnigen Körper des Toregen und trieb mir die Schweißperlen auf die Stirn. Was er im Sinn hatte, konnte ich mir sehr gut vorstellen und ich war von diesen Aussichten wahrhaftig nicht begeistert. Ich starrte den Mann hasserfüllt an, leistete ihm jedoch keine Gegenwehr mehr. Ich konnte nur hoffen, dass einer der anderen Männer auf irgendeine Weise bemerkte, was hier vor sich ging, und mir zur Hilfe kam.
    »So ein hübsches Köpfchen, aber die Augen vermögen nicht zu sehen, was um es herum vorgeht. Nein, kleine Kurtisane. Verducci wird dir sicher nicht helfen, das kann ich dir versprechen.«
    Die Bestimmtheit in Enricos Stimme ließ mich aufhorchen. Wusste er tatsächlich mehr über die Motive des Narbenmannes? Ich blickte ihn kühl an und

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