Sein mit Leib und Seele - Band 09
1. Danach
Man sagt, glückliche Leute hätten keine Probleme. Zweifellos enden Märchen deshalb immer gleich. Sind die böse Stiefmutter oder die fürchterliche Hexe erst einmal tot, was soll den Helden dann noch passieren? Sie heiraten und bekommen viele Kinder … Es sei denn … Aber hier wird es immer schwammig. Sind sie wenigstens glücklich? Ist ihre Liebe immer noch so stark? Leben sie zusammen? Gehen sie wieder zur Arbeit?
Und ich? Und wir? Ich hatte Alice und Guillaume zusammen von einem Gebäude stürzen sehen. Bedeutete das auch das Ende unserer Abenteuer? Werden wir weiterhin unser Leben voller Zärtlichkeiten und Champagner führen, wie wir es seit drei Wochen tun? Nicht, dass mir das nicht gefallen würde, im Gegenteil, aber es scheint mir so … ungewöhnlich. Ungewöhnlich ruhig.
„Emma, schläfst du?“
Seine Stimme kommt von der Brücke. Er ist mit irgendetwas beschäftigt.
„Ja. Also, nein.“
„Ich muss für eine knappe Stunde in die Stadt. Schlaf wieder ein.“
„Auf keinen Fall!“
Ich ziehe ein T-Shirt über und klettere aus der sonnendurchfluteten Kabine. Mein bezaubernder Prinz macht gerade seinen Jetski startklar. Wahrscheinlich, um uns Champagner und Meeresfrüchte zu holen. Ein Kuss, und schon ist er über dem Meer auf und davon. Immer, wenn er das macht, habe ich Angst, er kommt nicht wieder zurück. Absurd, die Küste ist nur fünf Minuten von uns entfernt. Aber ich kann immer noch nicht glauben, dass diese ganzen Gefahren endlich hinter uns liegen. Immerhin wurde unser Rückzug noch nicht gestört. Es müsste jetzt drei Wochen her sein, dass wir uns auf sein Boot in Portofino zurückgezogen haben. Die ersten Tage verliefen etwas schwierig, meine Wunden schmerzten und nachts schüttelten mich Albträume. Aber die Sonne und die Liebe haben ihr Bestes gegeben. Das Blut hat meine angsterstarrten Venen schnell wieder erwärmt.
Er winkt mir zu und ich zittere jetzt schon vor Ungeduld, ihn wiederzusehen. Ich werfe mein T-Shirt weg und springe nackt ins kühle Wasser. Nachher wird er wiederkommen und mich wortlos ganz fest an sich drücken, und ich werde so tun, als protestierte ich dagegen. Er wird mir mit seiner Zungenspitze das Salz von der Haut lecken und mich in die Kabine tragen …
Das Schwimmen wird mich ein wenig abkühlen. „Eine knappe Stunde“, das ist schon zu viel.
„Du solltest das Notwendige tun … Neue Faktoren? Wie das?“
Ist er schon zurück? Mit wem spricht er? Ich schwimme zum Rumpf des Bootes, um die kleine Leiter hochzuklettern. Ich verstehe ihn kaum. Er scheint besorgt zu sein.
„Ja, auf seinen Namen … Es ist mir egal, was du denkst, du machst das und fertig …“
„Charles?“
„Ich ruf dich wieder an.“
Seine Züge sind verhärtet. So habe ich ihn seit Wochen nicht gesehen. Ich steige nackt aus dem Wasser, sein Blick lässt mich erstarren. Das ist nicht der erhoffte Empfang. Meine Nacktheit passt so gar nicht zu der Stimmung, ich fühle mich lächerlich.
„Ein Problem?“
„Nein, nein. Alles gut.“
„Keine Lügen mehr, hatten wir gesagt, und keine Geheimnisse. Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst?“
Er blickt mich lange an, steckt das Telefon zurück in seine Tasche und reicht mir ein Handtuch.
„Du hast recht. Nein, nichts ist gut. Wir müssen nach Paris zurück. Wegen der Ermittlung.“
„Ich ahnte es schon. Nach alldem ist das nur logisch. Es gab Tote, Juwelenschmuggel …“
„Ja, stimmt. Nur dass sie denken, ich hätte Alice getötet.“
„Was? Aber das ist Unsinn! Sie war es, die versucht hat, uns zu töten!“
„Ja.“
„Du verschweigst mir etwas …“
„Nein, nicht wirklich. Aber du musst mir jetzt vertrauen. Bitte, stelle keine Fragen mehr.“
Dieses Mal, so viel ist sicher, sind unsere Flitterwochen wirklich vorbei.
2. Gnadenlose Wirklichkeit
Seit ich ihn bei seinem ominösen Telefongespräch überrascht habe, hat Charles kaum ein Wort gesprochen. Wir haben schweigend unsere Sachen gepackt, wie bestrafte Kinder, und dann ganz selbstverständlich die privaten Transportmittel aneinandergereiht: Limousine, Privatjet, Limousine … In Paris hat er mich dann einfach vor meinem Haus abgesetzt und ist wieder losgefahren.
„Ich muss ein paar Dinge regeln“, hat er beschlossen.
Morgen würde uns die Polizei verhören. Keine Ahnung, was ich denen erzählen soll.
„Die Wahrheit“, riet er mir.
Ja, ich bin nur ein Opfer, ich habe mir nichts vorzuwerfen … glaube ich jedenfalls. Wahrscheinlich hätten
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