Kuss des Feuers
nicht seine Stimme, die da sprach, sondern ein raues Krächzen seit seinem letzten Kampf. Er hatte so viele Verletzungen erlitten, dass ihm die Fähigkeit zu sprechen eigentlich völlig abhandengekommen sein müsste. Doch er würde wieder gesund werden. Bald.
Sie spürten, dass etwas Unnatürliches von ihm ausging – das erkannte der Abschaum immer –, und gafften ihn mit leeren Blicken an.
Er ließ die Knöchel knacken. »Oder vielleicht doch kein jähes Ende. Ich spiele gern mit meiner Beute.«
Die beiden besannen sich und nahmen die Beine in die Hand. Das schnelle Getrappel ihrer Füße hallte noch lange durch die Straße.
Sie waren weg, aber das Mädchen war noch da. Wie erstarrt verharrte sie in ihrer lächerlichen Verteidigungshaltung.
Die Knochen unter ihrer wie Alabaster schimmernden Haut waren zart, sie hatte hohe Wangenknochen, ein zierliches Kinn und eine gerade, anmutige Nase. Michelangelo hätte wahrscheinlich eine Statue nach ihrem Ebenbild gemeißelt. Und der Fausthieb eines Mannes könnte diese Schönheit innerhalb eines Augenblicks zerstören.
»Geh nach Hause«, sagte er zu ihr.
Sie zuckte leicht zusammen, blieb aber stehen und schwankte wie benommen.
Er seufzte. »Geh, ehe ich mich noch dazu entschließe, dir eine Lektion zu erteilen.«
Das ließ sie zu sich kommen. Sie warf einen Blick auf die Mauer hinter sich, wo die Geborgenheit ihres Hauses auf sie wartete, um dann die Straße hinunterzusehen. Sie wollte nicht, dass er merkte, wo ihr Zuhause war, verspürte aber auch nicht das Bedürfnis wegzulaufen. War sie ein Dienstmädchen? Nein, sie hatte nicht die Hände eines Dienstmädchens, und Ellis konnte sich ohnehin keines leisten. Aber er hatte Töchter. Drei, von denen Archer wusste und von denen nur noch eine zuhause lebte.
Miranda
. Lautlos sprach er den Namen aus und ließ ihn wie Schokolade auf der Zunge zergehen.
»Verschwinden Sie«, piepste sie mit heller Stimme. »Dann gehe ich nach Hause.«
Er unterdrückte ein Lächeln. War Trotz je so faszinierend gewesen? Jugend so betörend? Sie war alt genug, um zu heiraten. Er blinzelte und verdrängte diesen verrückten Gedanken aus seinem Kopf. Sie war unschuldig. Er sollte nichts Verführerisches in ihr sehen. Doch das würde sie sein – eines Tages. Würden diese Lippen noch voller werden? Die noch leicht pausbäckigen Wangen zu edler Zartheit schmelzen?
Er musterte sie einen Moment lang – gebannt von den goldenen Flechten, die wie Flammen um ihr schmales Gesicht wallten.
»Wer sind Sie?«, fuhr sie ihn an.
Der scharfe Tonfall brachte ihn wieder zu sich. Er vollführte eine höfliche Verbeugung.
»Ein besorgter Untertan der Krone.«
Sie knurrte missbilligend, ließ aber nicht die Fäuste sinken. Schockiert stellte er fest, dass sie näher trat. Er wich in den Schatten zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Mauer. Die weite Kapuze seines Umhangs verbarg die Maske, die er trug. Trotzdem wollte er ihr keinen Schreck einjagen. Ein lächerlicher Gedanke, wenn man bedachte, dass sie ihn wie ein Falke ins Visier genommen hatte, immer näher rückte, seine Zurückhaltung spürte und auf seine Schwäche reagierte. Ihn erfüllte Bewunderung.
»Nehmen Sie die Kapuze ab, und lassen Sie mich Ihr Gesicht sehen.«
Er sollte gehen. Sie in Ruhe lassen. »Nein.«
Eine flirrende Energie ging von ihr aus. Zorn machte schön und mächtig.
»Ich könnte Sie dazu bringen.«
Er grinste im Dunkeln. Er hatte keine Erklärung für dieses absolute Selbstvertrauen, das sie ausstrahlte, doch es erheiterte ihn. »Eine faszinierende Vorstellung. Vielleicht sollten Sie es versuchen.«
Wäre er ein normaler Mensch gewesen, hätte er ihre Bewegung nur verschwommen wahrgenommen. Doch auch so schockierte es ihn, wie schnell sie plötzlich vor ihm stand und ihm ein Messer in die Rippen drückte. Er sollte ihr wirklich eine Lektion erteilen, weil sie sich nachts mit fremden, großen Männern anlegte. Aber der Duft süßen Grases, den sie verströmte, lenkte ihn ab, und er war neugierig, was sie wohl als Nächstes tun würde.
»Drehen Sie sich um.« Ihre Stimme besaß eine stählerne Schärfe. »Die Hände an die Wand.«
Als er einfach nur amüsiert in der gleichen Position verharrte, wurde sie rot. »Es ist mir egal, wer Sie sind, solange Sie nur gehen. Aber ich werde Sie auf Waffen durchsuchen, ehe ich Sie Ihrer Wege ziehen lasse.«
Dummes Mädchen. Er sollte ihr wirklich den Kopf zurechtrücken. »Natürlich«, erwiderte er.
Die Feuchtigkeit
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